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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad
Autoren: Philippe Djian
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Könntest du es nicht für mich tun …? murmelte er.
    - Nein, nie im Leben.
    - Etwa, weil es sich um eine Frau handelt …?
    - Nein, aber das ändert auch nichts. Mich stört dieses Aufeinanderhocken.
    Es gab noch eine Unmenge anderer Probleme, aber mir war nicht danach, mich nur eine Sekunde länger über dieses Thema auszulassen. Das war auch keine Frage des Stolzes, ich hielt es durchaus nicht für unter meiner Würde, diese oder jene Arbeit zu erledigen. Man war mir nur in meinem Leben genug auf den Wecker gefallen. Ich fand, als Begründung reichte das vollauf.
    - Dan, ich will dir eins sagen …
    Ich sprang auf. Ich wollte nicht darüber diskutieren. Ergo schnitt ich ihm das Wort ab.
    - Mir reicht’s … Vergessen wir das, sagte ich.
    Ich fuhr herum und entschwand aus seinem Büro, während er eine Hand nach mir ausstreckte und sich seinem weit geöffneten Mund ein stummer Schrei entrang.
    An jenem Morgen, als Franck, die Mutter meines Sohnes, ihre Koffer packte, hatte ich geschworen, nie wieder werde eine Frau mein Haus betreten, und ich war standhaft geblieben, das war jetzt fünf volle Jahre her, und ich war standhaft geblieben. Das war nicht immer ganz einfach, aber ich hatte verbissen, wie ein tollwütiger Hund, an meinem Entschluß festgehalten. Wenn meinen Affären eines gemeinsam war, dann ihre Kurzlebigkeit, denn es gab immer einen Punkt, wo sie wissen wollten, wie es bei mir zu Hause war, wie mein Schlafzimmer aussah und mein Wohnzimmer und erst mein Badezimmer und wo ich meine Sachen unterbrachte und warum ich nicht wollte. Ich schüttelte in diesen betrüblichen Momenten nur den Kopf, mit verstocktem Gesicht und zusammengebissenen Zähnen.
    Das hatte alsbald eine große Flaute im Strom meines Sexuallebens zur Folge. Doch das schreckte mich nicht, so wichtig war das im Grunde auch nicht. Ich fand, es war einfacher, aufs Bumsen zu verzichten als aufs Trinken.
    Es vergingen einige Tage, ehe Paul wieder zum Angriff blies. Hermann war mit einem blauen Auge aus der Schule gekommen, und ich wollte gerade die Einzelheiten der Sache ergründen, als das Telefon klingelte.
    - Dan … Ich flehe dich an …!
    - Eh, du wirst alt, du verlierst allmählich den Verstand.
    - Hör zu, Dan … Hörst du mir zu …? Ich, Scheiße … Naja, ich unterliege einem gewissen Druck, weißt du …
    - Sag mal, Paul, das ist doch hoffentlich nicht dein Ernst!
    Ich hängte erbarmungslos ein. Hermanns Auge war kaum zu erkennen.
    - Ich spür überhaupt nichts, offenbarte er mir.
    Ich ging mit ihm in Richtung Arzneischränkchen. Behutsam untersuchte ich sein Auge, womit ich, wenn er endlich stillhielt, wie ich ihm sagte, schnell fertig sein würde. Mit verzerrtem Gesicht klammerte er sich an meinen Arm, wie beim Zahnarzt.
    - Ich dachte, du spürst nichts.
    - Aah …! Das ist nur, wenn du drankommst …! Wenn du drauf drückst …!
    Ich schnappte mir die Arnikatinktur, träufelte sie auf zwei, drei Kompressen. Ich hatte keine Erinnerung mehr an die Zeit, da ich mein erstes Veilchen nach Hause gebracht hatte, im allgemeinen sah ich mich nicht in diesem Alter, mein Gedächtnis reichte nicht so weit zurück, aber ich versuchte mir vorzustellen, was ich wohl empfunden hatte, ich betrachtete Hermann und versuchte einige Fetzen dieser versunkenen Welt zurückzuholen, ein wenig von dem, was ich war, als ich vierzehn war.
    - Hör mal, ich bin dein Vater, es macht mir keinen Spaß, dich mit einem kaputten Auge zu sehen. Trotzdem, die Sache ist klar. Merk dir, Richard wird immer wieder über dich herfallen, sobald er dich um Gladys herumstreichen sieht, über dich wie über alle ändern. Es gibt immer einen Punkt, da hört die Freundschaft auf.
    - Aber ich hab doch nichts getan! Ich hab sie bloß nach Hause gebracht …!
    - Sicher, das ist nicht viel … Er denkt wahrscheinlich, alles fängt irgendwo an. Das Problem ist, er hat nur eine Schwester, und er ist der einzige Mann in der Familie. Vergiß das nicht!
    - Scheiße, ich bin doch sein bester Freund …!
    - Jaja, aber komm mir jetzt nicht damit, das Leben sei schwierig. Mir brauchst du das nicht zu sagen.
    Ein wenig später machte ich mich wieder an die Arbeit. Es handelte sich um eine Szene, in der die Heldin in einen mit Krokodilen gespickten Fluß fiel, aber ich schaffte es nicht, mich darauf zu konzentrieren, und die Krokodile rückten näher, während ich in einem fort gähnte und die Schreie des Mädchens im Dschungel verhallten. Die Zeit verstrich, und mir wurde klar, es hatte
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