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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde
Autoren: Elke Heidenreich
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und zeigte nur Gleichgültigkeit, aber keinerlei näheres Schmuse-bedürfnis, wie es Nureeni von anderen Katzen kannte.
    Bei ihrem zweiten Besuch in New York, man wohnte wieder im Hotel Algonquin, war Nureeni siebzehn Jahre alt und sehr verliebt in einen Jungen aus Ontario. Sie schrieb ihm täglich Briefe, dazu saß sie in der unverändert schönen, bequemen Hotelhalle, das Tagebuch immer neben sich, um Interessantes zu notieren. Eine erste Erzählung von Nureeni war bereits in der Schülerzeitung veröffentlicht und gelobt worden, sie war auf dem besten Wege, eine Dichterin zu werden, und auch in ihren Briefen an Tom, den jungen Mann aus Ontario, bemühte sie sich sehr um blumige Bilder und bewegte Schilderungen des New Yorker Lebens. Auch Matilda wurde beschrieben, die Hotel-Katze, die graugestreift auf dem Gobelinsessel saß. Schmaler schien sie geworden zu sein, hochbeiniger, und sie schnurrte, wenn man sie streichelte. Nureeni wußte, daß das damals nicht so gewesen war, aber, dachte sie, wir verändern uns eben alle, ich bin ja auch nicht mehr dieselbe wie damals. Bei diesem zweiten Besuch war Mrs. Fox schon kränklich und nicht mitgekommen. Mr. Fox war den ganzen Tag in Sachen Aluminium unterwegs, holte seine Tochter eigentlich nur abends zum Essen ab, und die Tage verbrachte Nureeni am Times Square, im Battery Park beim Füttern der Eichhörnchen, in der Nationalbibliothek auf der 42. Straße oder im Metropolitan Museum.
    Bei ihrem dritten Besuch in New York war Nureeni die junge Ehefrau eines sehr viel älteren Professors für Geschichte. Sie wünschte sich, im Algonquin zu wohnen, und zeigte ihrem Mann mit Feuereifer alles, was sie kannte - die Bar, das Wandgemälde in der Halle, den Speisesaal, Matilda, die Katze an der Rezeption.
    Matilda schien ihr weniger grau als beige gestreift zu sein, aber man kannte diesen leichten Vergilbungseffekt ja auch von altem Leinen, warum nicht von altem Pelz. Matilda preßte zärtlich ihren Kopf an Nureenis Hand, als sie gestreichelt wurde, und Nureeni dachte: sie kennt mich jetzt schon, nach all den Jahren, sie kennt mich, und sie freut sich, mich wiederzusehen.
    Nureenis sehr viel älterer Mann starb, als sie erst fünfunddreißig Jahre alt war. Sie verkaufte das gemeinsame Haus in Stanford, wo er an der Universität gelehrt hatte, und zog nach Long Island, in die Nähe New Yorks, ans Meer, in eine Kolonie, in der kultivierte, aber verarmte alte Russen lebten. Immer hatte sie das Meer geliebt, und hier konnte sie lesen, schreiben, schauen, und ab und zu fuhr sie für ein paar Tage nach New York und wohnte im Hotel Algonquin. Sie traf dann auch Freunde in der Stadt, ging in die Oper und ins Theater, genoß das Leben in Manhattan und sprach mit ihrem Verleger, der treu zu ihr hielt, obwohl ihre schmalen Lyrik- und Erzählbände sich nicht gut verkauften. Sie war tatsächlich Schriftstellerin geworden, aber keine sehr berühmte, wie sie es als Kind erträumt hatte. Sie hatte ein paar gute Kritiken bekommen, war in ein paar Zeitschriften abgedruckt worden, aber ohne das Erbe aus ihres Vaters Aluminiumimperium hätte sie nicht so angenehm leben können, wie sie es tat. Matilda saß immer noch auf oder neben dem Pult, wenn sie ins Algonquin kam, oder sie lag zusammengerollt auf dem neu bezogenen, nun roten Samtsessel. Sie schien viel kleiner zu sein als früher - wie eben alte Menschen ja auch schrumpfen und klein werden wie die Kinder. Nureeni schrieb eine kleine Geschichte über Matilda, die tatsächlich in der Samstagsbeilage der New York Times erschien und ihr im Hotel Algonquin freundlichen Respekt einbrachte.
    Mit fünfundvierzig Jahren heiratete Nureeni ein zweites Mal, aber diese Ehe brachte ihr kein Glück. Arthur verjubelte einen Teil ihres Vermögens und verstand nichts von ihren Gedichten, und sie ärgerte sich darüber, einer plötzlich so heiß aufgewallten Leidenschaft wegen auf diesen zwielichtigen Immobilienmakler Arthur Miller hereingefallen zu sein - vielleicht, weil er so hieß wie der bewunderte Schriftsteller. Sie konnte sich diesen Ausrutscher jedenfalls nicht erklären und verkroch sich nach dem Scheitern dieser Ehe für zwei Erholungswochen im stillen, freundlichen Hotel Algonquin, in dem man noch wußte, was Manieren sind. Matilda lag jetzt oft in der Bar auf dem Ledersofa und ließ sich auch durch den dicken Zigarrenqualm rauchender Herren nicht abschrecken.
    Seit einiger Zeit tat sie wieder so, als würde sie Nureeni Fox gar nicht kennen, wich
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