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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde
Autoren: Elke Heidenreich
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Geschichte, das mir, wenn ich sie erzähle, niemand glaubt: am Tag der Hochzeit kam Hasso aus dem Krieg zurück. Auch ihn hatte es zuerst nach Köln gezogen.
    Er heiratete zwei Monate später Hermine, die Cousine von Christa. Beide Männer stiegen in das Spiegelgeschäft ein, man baute über dem Laden die Wohnung über zwei Etagen aus und war, das bezeugten alle, sehr glücklich.
    »So hatten wir beide beide«, sagten die Frauen.
    »Seither«, sagte Hasso, »waren wir keinen Tag mehr getrennt.«
    Ich schrieb in der Zeit nach diesem Treffen über die Krachts ein paar Artikel für Zeitungen, machte ein Feature für den Rundfunk und setzte mir in den Kopf, ich könnte ein Buch über die Zwillinge schreiben, einen Roman vielleicht sogar.
    Suhrbier schickte ich das gerahmte Bild zum Siebzigsten, die Artikel, eine Kassette meiner Radiosendung, in der es O-Töne der Zwillinge gab. Die Kassette hat er, wie er mir später sagte, nie bekommen. Jetzt, da er sich in der westdeutschen Presse erwähnt sah, antwortete er mir wieder. In einem Brief schrieb er, daß seine Frau gestorben sei. Nun schrieb er öfter, sogar längere, mitteil-same Briefe. Es war wohl die Frau gewesen, die ihn vorher davon abgehalten hatte. Immer häufiger äußerte er den Wunsch, die beiden Schützlinge von damals noch einmal zu sehen.
    Die Gelegenheit ergab sich. Ich war zum siebzigsten Geburtstag der Zwillinge eingeladen. Es sollte ein großes Fest werden, das ließ sich die Stadt Köln, die nicht ohne mein Zutun nun verstärkt Interesse an den beiden einst berühmten Bürgern ihrer Stadt hatte, nicht nehmen. Man lud mich ein, einen kleinen Vortrag über die beiden zu halten, eine Rede sozusagen, ich sagte zu. Und ich hatte mir ein Geschenk ausgedacht, eine Überraschung.
    Sicherheitshalber fragte ich Christa und Hermine Kracht, ob sie es für gut hielten, Suhrbier einzuladen. Die Männer, sagten sie, hätten in letzter Zeit öfter über ihn gesprochen, da seien wohl keine Vorbehalte mehr, und überhaupt würden sie jetzt sehr gelöst von dieser Zeit sprechen, was nicht immer der Fall gewesen sei.
    Also lud ich Suhrbier ein. Er durfte reisen und freute sich. Ich holte ihn am Bahnhof ab, brachte ihn ins Hotel, traf mich dann mit ihm vor dem Brauhaus, in dem das Fest stattfand. Es gelang mir sogar, ihn vor den Zwillingen so zu verstecken, daß ich ihn während meiner Rede als Überraschung hervorzaubern konnte.
    Er war inzwischen sehr alt geworden, fast fünfundsiebzig, müde, etwas traurig. Aber die Überraschung war wohl gelungen. Harro und Hasso waren wirklich ahnungslos gewesen, sie freuten sich sehr, sie siezten ihn und nannten ihn, wie damals, Chef. Er benutzte die zweite Person Plural, denn einen einzelnen von ihnen sprach er ohnehin nicht an.
    »Daß ich euch noch mal sehen darf, für mich geht ein Traum in Erfüllung«, sagte er, und die Zwillinge waren gerührt.
    Man legte die Geschenke eigentlich auf einen extra dafür bereitgestellten Tisch. Aber Herbert Suhrbier hatte seinen ehemaligen Schützlingen etwas mitgebracht, was er persönlich überreichte, denn er wollte sehen, wie sie reagierten. Es war ein kleines Päckchen. Hasso packte es aus, und alle schauten neugierig zu. Ich ahnte, was es sein würde, und ich wußte, es würde deplaziert sein. Es war die Bronzeplastik der rudernden Hunde, die ihm seine Frau aus Ungarn mitgebracht hatte. Die Zwillinge lächelten irritiert, bedankten sich dann höflich mit dem Hinweis, daß das doch nicht nötig gewesen wäre, und Hasso fühlte sich ob der fragenden Gesichter am Tisch genötigt, darauf hinzuweisen, daß der Chef sie damals immer als Hunde bezeichnet hat. Dazu wollte sich höflicherweise niemand äußern.
    Die Bronzeplastik stand unbeachtet auf dem Tisch zwischen Bier-und Weingläsern, Zigarettenschachteln, Bestecken und Servietten, und Christa legte sie irgendwann samt dem Einwickelpapier auf ein Fensterbrett. Ich ließ das Geschenk nicht mehr aus den Augen.
    Als die Kinder am Ende des Abends alle Geschenke nach draußen trugen, beachteten sie das Päckchen auf dem Fensterbrett nicht, zumal es so aussah, als handelte es sich nur noch um wertloses Einwickelpapier. Ich ging hin und steckte die rudernden Hunde ein. Am nächsten Tag schenkte ich sie meiner Frau, die sich sehr darüber freute.
    Nun stehen sie schon seit über fünfzehn Jahren auf ihrem Schreibsekretär und sind ihr die Versinnbildlichung von Ehrgeiz und Besessenheit. Wenn meine Frau allerdings gefragt wird, was es mit diesen
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