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Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
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Hecheln des Hundes und das Knacken von trockenem Gehölz, dann war es still auf der Insel. Er folgte dem Trampelpfad Richtung Westen. Die Bäume und Büsche standen hier dichter als auf Hissö, selbst an schönen Tagen fand wenig Licht den Weg durch das Geäst. Die Mulde, in der seit vielen Jahren eine umgekippte Tanne lag, roch brackig; zwischen dem hellgrünen Sumpfgras schmatzte Wasser unter seinen Schuhen. Er nahm die lang gestreckte Anhöhe Richtung Norden, nach weiteren fünfhundert Metern auf knotigem Wurzelboden und Heidekraut hatte er die Inselspitze erreicht.
    Tatsächlich war der Ausblick atemberaubend. Zwei Reiher landeten im gleißenden Gegenlicht, in der Ferne tuckerte ein Boot mit Außenborder. Ein starkes Gefühl von Verbundenheit durchfuhr ihn. Er war Teil von etwas. Von diesem hier. Von Schönheit. Er schloss die Augen und öffnete sie wieder. Ein machtvoller Impuls: hier und jetzt sterben. In Einheit. In Frieden. Ein beruhigender Gedanke. Wahr und klar.
    Und doch grundfalsch. Menschen sind nicht so. Sie wollen leben, immer weiter. Er schüttelte die Sentimentalität so schnell ab, wie sie gekommen war. Es war Zeit zu gehen. Er war hungrig, außerdem musste er pinkeln. Wo blieb Strax? Der Hund war immer noch nicht wieder aufgetaucht. Diese verdammten Mäuse! Er pfiff laut auf den Fingern. Der Pfiff hallte zwischen den Bäumen und weit über den See. Er wartete. Eine Minute, zwei. Dann drehte er sich um und folgte dem Rundpfad zurück in Richtung der Treidelbrücke. Zwischendurch ließ er erneut seine Pfiffe durch den Wald gellen und rief nach dem Hund. An einer Birke blieb er stehen und entleerte seine Blase. Immer noch kein Strax in Sicht. Er ging weiter. Sorgen machte er sich keine. Wo sollte der Hund schon hin sein? So groß war die Insel ja nicht. Wahrscheinlich hockte er vor einem Mäuseloch oder jagte einem Eichhörnchen hinterher. Oder er folgte der Fährte seines Herrchens. Gleich kommt er den Pfad hinuntergerast und bringt mir stolz einen neuen Ast, dachte Dahlin. Der Weg machte eine letzte Kehre, dann hatte er wieder den Anleger erreicht. Auch hier war der Hund nicht. Er pfiff erneut, doch im Unterholz rührte sich noch immer nichts. Sein Blick suchte die Uferkante ab. War der Hund vielleicht im Wasser? Aber müsste er ihn dann nicht planschen hören? Dann entdeckte er es. Das Floß, die Treidelbrücke, sie war weg. Aber ...
    Nein, genau genommen war sie nicht weg, sondern trieb etwa dreißig Meter vom Anleger entfernt in der schwachen Strömung auf den See hinaus. Wie konnte denn ...?
    Jetzt war er so nah am Anleger, dass er es sah. Am Anleger waren die beiden Stahlseile durchtrennt worden. Stahlseile. Nordschwedische Qualitätsarbeit, zwei Zentimeter Durchmesser.
    Was um alles in der Welt ...?
    Plötzlich hinter ihm ein Jaulen. Da war Strax! Er hatte einen Zweig im Maul. Aber warum lief er denn so seltsam? Warum hinkte das arme Tier? Dann erkannte er: Das war kein Zweig. Es war ein Pfeil. Und der war nicht in Strax’ Maul, sondern steckte in seiner Schnauze, nein, er ging durch die Hundeschnauze hindurch. Und ein zweiter steckte in seiner Flanke. Was ...?
    Die Wucht des Aufpralls riss seinen Arm, seine Schulter nach hinten. Der Schmerz presste ihm die Luft aus der Lunge. Als er hinsah, verstand er, dass der dünne Aluminiumpfeil seinen Oberarm durchbohrt hatte.
    Den nächsten Pfeil hörte er, bevor er ihn sah. Konnte das sein? Brach das nicht mit allen Regeln der Physik? Er starrte auf den silbernen Stachel in seinem Oberschenkel. Merkwürdigerweise schärfte der Schmerz seine Wahrnehmung. Er schmeckte die Kiefern. Die Tannennadeln. Er dachte an die Geschwindigkeit des Schalls. An Licht und Wellen. Der dritte Pfeil durchschlug seine Bauchdecke. Strax brach zitternd vor ihm zusammen, ein graubraunes Bündel, alles Gold war dahin. Das helle Fleece seines Pullovers färbte sich schwarz. Er verstand überhaupt nichts mehr.
    Dabei war das erst der Anfang.

EIN TAG ZUVOR, SAMSTAG
    1
    Die weiß getünchte Waldkirche von Ormesberga strahlte in der Nachmittagssonne von ihrem Hügel auf die Prozession der feierlich gekleideten Gäste herunter. Der Klang der Glocken hallte weit über den Fichtenwald und die Hochzeitsgesellschaft zog in die kleine Kirche ein. Der Raum füllte sich. Es wurde eng in den Reihen wie sonst nur zu Weihnachten und die knarrenden, alten Holzbänke hatten Mühe, die Schar der Besucher zu fassen. Der Küster, normalerweise ein ruhiger, besonnener Mann, fuchtelte mit den
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