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Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
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steckten in seiner Schulter, in Oberarmen und Händen. Einer hatte sein linkes Knie durchschlagen. Sie stellte sich vor ihn und erkannte Wundmale, Prellungen und Blutergüsse auf dem Körper. Deformierte Linien, seltsam verdrehte Muskeln. Zertrümmerte Knochen. Opfer von schweren Verkehrsunfällen sahen so aus, verunglückte Motorradfahrer. Sie sah die dünnen Nylonschnüre, mit denen der Leichnam an den Baumstumpf gebunden war. Sie nahm den scharfen Geruch menschlicher Exkremente wahr. Obwohl der Mann nicht mehr lebt, dringen seine Moleküle in uns ein, dachte sie. Er reicht etwas an uns weiter. Vielleicht ist es ein Auftrag. Oder es ist nur der Geruch eines grausam zugerichteten Mordopfers. Sie schloss die Augen und öffnete sie wieder. In ihren Ohren dröhnte es. Das Pochen ihres eigenen Bluts. Mein Körper reagiert, dachte sie. Er reagiert, weil mein Verstand das hier kaum fassen kann. Sie zwang sich ruhig zu atmen, bis das Hämmern in ihren Ohren verschwand. Erst jetzt sah sie die anderen Menschen, die um sie herum standen. Lars Knutsson, den alle Lasse nannten, Anette Hultin, Hugo Delgado. Bo Örkenrud, der Chef der Spurensicherung. Ihre Freundin, die Pathologin Ann-Vivika Kimsel. Andere Männer und Frauen in violetten Overalls. Sie schluckte, räusperte sich. Trotzdem war ihre Stimme belegt, als sie sprach.
    »Wissen wir schon, wer das ist? Wer das war?«
    Unverrückbare Fakten.
    Das rechte Auge des Toten, das, in dem kein Pfeil steckte, schien sie anzustarren. Zwischen den Bäumen glitzerte der See. Neben ihr keuchte Knutsson. Sein Übergewicht machte ihn kurzatmig.
    »Nein. Wir haben noch wenig bis gar nichts. Der Anruf kam vor einer knappen Stunde, gegen acht. Ein Albtraum in jeder Hinsicht. Der Mann steckt voller Pfeile.«
    »Und in Humlehöjden sitzen fünfzig Bogenschützen«, sagte Hultin.
    »Fünfzig historische Bogenschützen«, hob Delgado hervor. Es war witzig gemeint, aber niemand reagierte darauf.
    »Fünfzig Verdächtige. Ein absoluter Albtraum, in jeder Hinsicht«, wiederholte sich Knutsson. »Und das eine Woche vor Mittsommer.«
    »Wer hat ihn gefunden?« Nyström hatte ihre Stimme wieder. Die Stimme, die gestern auf einer Vermählung gesungen hatte. Eine der schönsten Altstimmen Südschwedens. Jetzt hatte sie eine Ermittlung zu leiten. Sie wich dem starrenden Auge aus. Die Nylonschnüre schnitten sich tief in das graue, gelb und blau geschlagene Fleisch des Toten.
    Hultin blätterte in ihrem Notizblock.
    »Aaron Wicander. Der Chef des Ganzen hier. Der Parcoursleiter.«
    »Was ist ein Parcoursleiter?«
    2
    »Der 3-D-Parcoursleiter ist für den Aufbau der Strecke verantwortlich. Er bestimmt die Distanzen, sucht die Wege durch den Wald, stellt die Tiere auf.«
    »Die Tiere?«
    »Ja, die lebensgroßen Tiermodelle. Deshalb heißt es ja auch 3-D-Parcours. Die sind aus Hartgummischaum. Wir haben hier Hirsche, Luchse, Ratten, Biber, Seeadler. Sogar einen Elch.«
    »Und heute Morgen haben wir einen letzten Kontrollgang gemacht. Bevor alles losgeht. Und dann sind wir darauf gestoßen.«
    »Kontrollgang?«
    »Ja, vom Parcours.«
    »Im Grunde funktioniert es ähnlich wie Golf. Man zählt die Schüsse, die man von der jeweiligen Abschussstelle bis zum Ziel braucht. Derjenige, der die wenigsten Gesamtschüsse hat, ist der Turniersieger.«
    »Traditionelles Bogenschießen findet immer mehr Zulauf. Wir haben heute auch internationale Sportfreunde hier, aus Dänemark, Deutschland, sogar aus Italien!«
    »So, so«, sagte Nyström. Sie musste sich Mühe geben, um die Irritation abzuschütteln, die von den Verkleidungen der drei Hobbysportler ausging, die vor ihr saßen. Aaron Wicander, der Vorsitzende des Vereins Traditionelles Bogenschießen Växjö , war ein rundlicher Mann um die fünfzig, der eine Lederweste und silbrig schimmernde Strumpfhosen trug. Eine ebenfalls silberne Langhaarperücke und spitz modellierte, falsche Ohren wiesen ihn als eine Figur aus einem Fantasy-Epos aus. Ein Legolas mit Bierbauch. Der weitere Vorstand des Vereins, der das jährliche historische Bogenschießen organisiert hatte, bestand aus Peter Quist, einem bärtigen Mittvierziger in der detailreichen Montur eines römischen Legionärs, und Mona Wedén, einem Burgfräulein mit opulentem Dekolleté, in der Nyström die Geschäftsführerin eines Seniorenpflegedienstes erkannte, mit der sie vor wenigen Monaten am Rande der Ermittlung im Fall eines ermordeten Schmetterlingzüchters zu tun gehabt hatte.
    Dabei war die Situation
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