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Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)

Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)

Titel: Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)
Autoren: Gianni Sander , Marc-André Rüssau
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meinen Weg gegangen bin, habe ich selbst getroffen.
    Hätte ich mich im Internat untergeordnet, hätte ich sicher eine passable Ausbildung erhalten und würde heute in einem bürgerlichen Job mit Weihnachtsgeld und Bonuszahlungen arbeiten. Das Internat war Dreck, aber die Jungs, die sich in die dreckigen Strukturen einfinden konnten, haben mittlerweile durchaus ehrenhafte Berufe.
    Wer sich für Psychologie interessiert, kann ja mal analysieren, ob mein Verhältnis zu meiner Mutter mein Frauenbild für immer geprägt hat. Ob, wer Gewalt erlebt hat, später auch Gewalt nutzt, um seine Interessen durchzusetzen.
    Ich interessiere mich nicht für Psychologie. Ich sage: Ein Mann muss zu seinen Entscheidungen stehen. Einige haben sich im Nachhinein als Fehler herausgestellt. Die meisten waren aber genau so richtig und nötig.
    Ich hatte nur ein Ziel: raus aus dem Internat. Also brach ich nach dem Realschulabschluss die Schule ab. Eigentlich hätte ich das Abitur machen sollen. Meine Berufswünsche waren damals: Architekt oder Tierarzt. Beides sind Berufe, für die man eine lange unbezahlte Ausbildung machen muss. Also wäre ich noch über Jahre auf meine Mutter und meinen Stiefvater angewiesen gewesen. Daher nahm ich eine Lehre als Kfz-Mechaniker in Angriff. Mein Ziel war, irgendwann Motorrad-Schrauber zu werden. Ich hatte Bock auf Harleys. Ich hatte aber nie Lust auf das Rockertum, also alten Frauen die Handtasche zu klauen und drei Wochen in derselben Lederhose besoffen auf der Wiese herumzuliegen. Doch ein Bad Boy wollte ich immer sein, gegen den Strom schwimmen, sich von niemandem etwas sagen lassen, Lebensmotto: »Fuck you!«
    Zu Hause war ich nicht mehr erwünscht, seit ich aus dem Internat raus war. Das war mir aber auch recht so. In den letzten Jahren hatte ich, wenn ich an den Wochenenden heimgedurft hatte, sowieso immer das Gefühl gehabt, schreiend weglaufen zu müssen.
    Meine Mutter hatte mittlerweile eine Wohnung in Duisburg, die mein Stiefvater ihr vor einigen Jahren gekauft hatte. Damals waren sie kurz vor der Trennung gestanden und sie hatte gemeint, dass sie einen Platz für sich allein bräuchte, wenn sie die Ehe retten wollten. Wenig später rauften sich mein Stiefvater und meine Mutter wieder zusammen, die Immobilie stand also leer. In diese Wohnung zog ich nun ein. Natürlich musste ich Miete zahlen, 400 Mark pro Monat. Aber ich war von zu Hause weg. Bloß musste ich nun regelmäßig an Geld kommen. Denn das Geld, das ich bei meiner Ausbildung als Kfz-Mechaniker verdiente, reichte dafür nicht aus.
    Aus dem Studio, in dem ich trainierte, kannte ich ein paar Jungs, die als Türsteher arbeiteten. Sie prognostizierten mir eine große Zukunft in ihrer Branche, denn ich sah gut aus, hatte genug Muskeln und durch mein Elternhaus ein gutes Benehmen. Es gab nur ein Problem: Ich war damals 17 Jahre alt, minderjährig, und kein Club würde mich anstellen. Aber ich konnte kein Jahr warten, um Geld zu verdienen. Also fälschte ich zum ersten Mal meine Papiere. Ich ging in einen Copyshop im Univiertel von Duisburg und investierte insgesamt 50 Pfennig in meinen ersten, zugegebenermaßen schludrig gefälschten Personalausweis. Zunächst machte ich zwei Kopien von meinem echten Perso. Dann holte ich mir von dem Typen, der die Kopien der Studenten durchzählte, Schere und Kleber. Ich schnitt eine Drei aus meiner Personalausweisnummer auf der einen Kopie heraus, klebte sie auf der anderen Kopie über die letzte Ziffer meines Geburtsjahres. Statt 1977 stand da jetzt 1973. Das Ergebnis jagte ich noch einmal durch den Kopierer. So hatte ich, zumindest auf der Kopie, vier Jahre gewonnen.

    Einer meiner Freunde aus dem Fitnessstudio empfahl mich den entsprechenden Leuten. Ich sollte zunächst in einem kleinen Club in Duisburg anfangen. Also ging ich an einem frühen Freitagabend dorthin, um mich vorzustellen. Die Disco hatte eben erst geöffnet, noch waren kaum Gäste da. An der Garderobe gaben gerade drei Mädels ihre Jacken ab. Sie waren wohl noch nicht volljährig und mussten die Disco vor Mitternacht verlassen – also fingen sie früher mit dem Feiern an. Sie trugen enge, bauchfreie Tops, damit man ihre Nabelpiercings sehen konnte. Alle drei hatten etwas zu viel, zu bunte Schminke aufgelegt, wie das Mädchen eben machen, wenn sie noch keine Erfahrung damit haben. Als ich an ihnen vorbeiging – das Büro des Geschäftsführers befand sich hinter der Garderobe –, zwinkerte ich der Größten von ihnen zu. Die drei
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