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Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)

Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)

Titel: Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)
Autoren: Gianni Sander , Marc-André Rüssau
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wisse, warum die Ehe gescheitert sei. Als Kind hört man so etwas gerne.
    Vielleicht wäre meine Kindheit trotzdem ganz okay gewesen, hätten es nicht Freunde meiner Mutter so übermäßig gut mit uns gemeint. Die konnten die arme, alleinerziehende Mutter in ihrem Freundeskreis einfach nicht ertragen. Da musste doch ein Mann ins Haus. Und irgendeinem fiel dann mein späterer Stiefvater ein, wahrscheinlich kannten sie sich aus dem Rotary-Club oder vom Golf. Seine Frau war an Krebs gestorben, er war Witwer mit zwei Kindern und als Direktor einer Bergbau-Schachtanlage äußerst wohlhabend.
    Fix wurden die beiden verkuppelt. Der reiche Witwer und die junge Alleinerziehende aus gutem Haus. Es passte so gut. Aber für mich hat da das Drama angefangen.
    Die beiden heirateten und mein Stiefvater kaufte uns einen alten Bauernhof an der niederländischen Grenze. Er steckte viel Geld in die Renovierung, schließlich musste ja alles standesgemäß aussehen. Von außen betrachtet war dann auch alles super. Breite Einfahrt mit hellen Kieseln, dicke Autos in der Garage, jedes Kind hatte sein eigenes Zimmer. Materiell fehlte es an gar nichts. Nur was im Haus passierte, das passte nicht zur Fassade, und meine Eltern haben auch alles dafür getan, damit das niemand mitbekam.
    Wir hatten Pferde, Ponys, sogar Hühner und Enten. Weil meine Mutter meinem Stiefvater gesagt hatte, dass das ihr Traum wäre: mit einer großen Familie und Tieren zusammenzuleben. Ganz häuslich.
    Was natürlich Quatsch war. Meine Mutter langweilte sich sehr schnell als Hausfrau. Also fuhr sie mit dem Porsche, den ihr mein Stiefvater gekauft hatte, durch die Stadt und machte die Männer verrückt. Sie war jung, hatte braune Haare, blaue Augen und tolle Kurven. Sie hatte also ausreichend Auswahl für ihre zahlreichen Affären. Nur ein paar Abenteuer, von denen ich weiß, weil ich sie mitgekriegt habe: der Klavierspieler vom 50. Geburtstag meines Stiefvaters. Der Chauffeur. Der Kellner des Lieblingsrestaurants meines Stiefvaters in dem Ort in Spanien, in dem wir öfters Urlaub machten.
    Außer an der Rumvögelei hatte meine Mutter eine perfide Freude daran, einen Keil zwischen mich und meinen Stiefvater zu treiben. »Er hasst dich, weißt du?«, sagte sie gerne zu mir. »Er ist so eifersüchtig.«
    Da war, das weiß ich heute, nichts dran. Denn meinem Stiefvater war ich herzlich egal. Wir Kinder bekamen sowieso nicht viel von ihm mit. Wenn er abends heimkam, setzte er sich vor den Videotext und schaute sich Aktienkurse an. Dabei machte er eine Flasche Wein auf und war dann schnell nicht mehr ansprechbar. Aber ich glaubte meiner Mutter natürlich, welches Kind glaubt seiner Mutter nicht? In all den Jahren in dem Haus hatte ich stets das Gefühl, dass mein Stiefvater mich misstrauisch beäugte.
    Für meine Mutter hatte meine Unsicherheit natürlich einige Vorteile. Ich musste mich komplett auf sie ausrichten, sie war meine einzige Verbündete. Ich dachte damals, dass nur sie es verhinderte, dass mein Stiefvater mich aus dem Haus warf oder Schlimmeres mit mir machte. So konnte mich meine Mutter zum Mitwisser für alle ihre kleinen Spielchen machen. Ich erinnere mich daran, wie sie einmal 10 000 Mark aus dem Tresor meines Stiefvaters nahm. Sie brauchte das Geld für eine ihrer Affären – ein Mann, der Probleme wegen Drogengeschichten hatte. Mich stellte sie dann gegenüber meinem Stiefvater als Dieb dar, der das Geld genommen hatte. Weil ich mir davon angeblich ein Motorrad kaufen wollte.
    Heute weiß ich, dass sie krank ist. Sie verfiel wochenlang in Depressionen. Dann drehte sie wieder auf und es gab nur noch Männer und Sex. So versuchte sie, ihrer Ehe zu entfliehen, aber ohne tatsächlich von meinem Stiefvater loszukommen. Meine Mutter ist eine Wassermann-Frau, und Frauen mit diesem Sternzeichen sind immer schwierig, ich habe viele als Fremdgängerinnen kennengelernt, die aber nicht die Kraft hatten, sich wirklich von ihren Männern zu trennen.
    Meine Stiefgeschwister ließen mich immer spüren, dass sie sich für etwas Besseres hielten. Mein Stiefbruder sagte einmal: »Ich werde später Banker, du Müllmann.« Ist allerdings nichts daraus geworden. Soweit ich weiß, studiert mein Stiefbruder heute noch, finanziert von meinem Stiefvater.
    Meine Stiefschwester machte auf hochwohlgeboren, war aber eigentlich eine Oberhure. Wir fuhren jedes Jahr in den Urlaub nach Spanien und sie machte dort mit jedem rum, der auch nur ein bisschen nach Sunnyboy oder Surfer aussah.
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