Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf
Autoren: Kira Maeda
Vom Netzwerk:
verschlossen, aber eine Traube von Menschen stand davor. Die verschlossene Tür öffnete sich in unregelmäßigen Abständen und einige der Leute wurden hereingelassen, während andere herauskamen.
    Lucius fuhr den Mercedes ohne weitere Schwierigkeiten in eine etwas abseits gelegene Parklücke und schaltete den Motor ab. Aki öffnete ihre Tür und stieg aus. Kalter Wind empfing sie und ließ sie frösteln. Dann stand er an ihrer Seite und fasste ihren Arm. „Gleich wird es wärmer werden“, versprach er und bot ihr seinen eigenen Arm an. Seine Augen blitzten dabei, und Aki konnte noch immer nicht genau sagen, ob sie grün oder bernsteinfarben waren. Sicher war nur, dass sein Blick ausreichte, um ihre Knie zittern zu lassen.
    Er führte sie über den Parkplatz an den wartenden Menschen vorbei und hielt vor dem Tor. Mit der Faust klopfte er einen kurzen Schlagrhythmus, und die Stahltür schwang auf. Durch den offenen Spalt quoll angenehm warmes Kerzenlicht. Mit ihm kam auch wummernder Bass, so laut, dass Aki ihn eher spürte, als hörte. Selbst ihre Absätze vibrierten.
    Sie traten ein und wurden von einem bulligen Türsteher begrüßt. Er nickte Aki freundlich zu und murmelte etwas in Richtung Lucius, der feine Ohren zu haben schien, denn für Aki gingen die Worte im Bass der Musik verloren. Aber ihr Begleiter nickte, beugte sich vor und antwortete in das Ohr des Türstehers. Dann zog er sie sanft mit sich, tiefer in das Innere der Fabrik hinein.
    Sie befanden sich in einem Vorraum. Die Decke war hoch, der Raum selbst aber eher klein und kreisrund. Direkt vor ihnen versperrte ein roter, schwerer Samtvorhang den Weg. Ein kleiner Alkoven befand sich neben ihnen, in dem ein junger Mann stand. Lucius ließ Aki los und trat hinter sie, um ihr den Mantel abzunehmen. Sie versteifte sich, aber der Wollmantel rutschte schnell von ihren Schultern. Lucius gab ihn an den jungen Mann und schob dann den Vorhang beiseite. Der Lärm der Musik steigerte sich abrupt, und Aki sah jetzt auch den Grund dafür. Hinter dem Vorhang befand sich eine der ehemaligen Produktionshallen, brechend voll mit zuckenden Körpern, die sich im Takt der Musik bewegten und sich in Ekstase tanzten. An der Stirnseite befand sich das Pult des DJs, der immer neue Klänge unter den gleichbleibenden Beat mischte, und Laserlichter tanzten durch die ansonst dunkle Halle. Es war ein scharfer Kontrast zu dem kerzenbeleuchteten Vorraum, und der Lärm, die Musik und die tanzenden Clubbesucher trafen Aki wie eine Wand. Lucius Lippen streiften ihr Ohr. „Das Tagesgeschäft“, raunte er und zog sie weiter. Er musste Augen wie eine Katze haben, denn ohne Mühe führte er sie an den schwitzenden und stampfenden Leibern vorbei zu einer weiteren Tür. Er öffnete sie und schob Aki hindurch. Als sie hinter ihnen beiden wieder ins Schloss fiel, war der Lärm wie mit einem Messer abgeschnitten. Die plötzliche Stille dröhnte in ihren Ohren.
    Aki kam gar nicht dazu, sich umzusehen. Sie lehnte mit geschlossenen Augen an der Wand und versuchte ihren Atem zu beruhigen. In ihrem Kopf drehte sich alles.
    „Bleib wach, Rotkäppchen“, hörte sie plötzlich Lucius Stimme, und sie schlug die Augen auf. „Rotkäppchen?“
    „Ist das nicht der Ursprung deines Namens?“ Er war unglaublich nah bei ihr. Sie konnte die winzigen Haarstoppel auf seinen Wangen sehen, und die Mischung seines Körpergeruchs und seines Aftershaves stieg ihr in die Nase. Die Mischung war wild, herb und würzig. Seine Lippen waren einen Spaltbreit geöffnet und glänzten feucht.
    Akis Augen verengten sich leicht. „Was hat dir meine Tante noch erzählt?“, flüsterte sie.
    Lucius stützte seine Hand gegen die Wand und beugte sich tiefer. Würde Aki sich ihm entgegenneigen, hätte sie ihn ohne Mühe küssen können. Sie senkte den Blick. Diesen Mann sah sie zum zweiten Mal in ihrem Leben, wie konnte sie da an seine Küsse denken?
    Lucius schien zu spüren, dass der Bann gebrochen war und richtete sich wieder auf. Jetzt erst nahm sie den Raum, in dem sie sich befanden, wirklich wahr. Er war hell ausgeleuchtet. Außer einigen großen roten Sesseln und einer gepolsterten Liege befand sich nichts darin. Eine schmale Wendeltreppe führte aus dem Raum nach oben. „Komm, ich zeige dir den Club“, sagte Lucius und bot ihr seine Hand an. Vertrauensvoller als noch zuvor ergriff Aki sie und ging mit ihm die Treppe hinauf. Oben kamen sie an einer Art Balkon heraus. Sie befanden sich nun hoch über den Köpfen der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher