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Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf
Autoren: Kira Maeda
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Mantel fester um sich und merkte selbst, wie ihre Schritte immer langsamer wurden. Sie war ihrer Mutter im Treppenhaus begegnet und hatte sich möglichst schnell wieder verabschiedet. Midori hatte misstrauisch ausgesehen, aber Aki war verschwunden, ehe ihre Mutter sie festnageln konnte. Jetzt war sie fast vor dem Club. Ihr Mut sank mit jedem Schritt. Was, um Himmels Willen, wollte sie hier? Es war bereits nach zehn Uhr – noch war es nicht zu spät umzukehren und sich die Schminke aus dem Gesicht zu waschen. Gegen einen ruhigen Abend auf der Couch war nichts einzuwenden …
    Ein Auto fuhr heran und hupte. Aki ging einen Schritt zur Seite, um dem Fahrer Platz zu machen, aber das schien ihm nicht zu reichen. Er hupte noch einmal. „Ich bin schon … “, setzte sie zu einem wütenden Kommentar an und brach ab, als sie den Wagen erkannte. Nur hatte er bei ihrer letzten Begegnung schmerzlich aufgeheult. Der Motor wurde abgestellt, und die Fahrertür öffnete sich. Lucius sah noch genauso atemberaubend aus, wie Aki ihn in Erinnerung hatte. Er trug einen burgunderfarbenen, dünnen Rollkragenpullover und darüber ein braunes Jackett. Die dunklen Haare hatte er sich aus der Stirn gekämmt, aber einige vorwitzige Strähnen hingen ihm trotz allem noch über den Augenbrauen. Er lächelte, und selbst aus der Entfernung zwischen ihnen sah sie die winzigen Grübchen. Er kam auf sie zu, und einmal mehr blitzte das geschmeidige Raubtier vor ihrem inneren Auge auf, das sie auch bei ihrem ersten Zusammentreffen gesehen hatte. Ein Tiger vielleicht, oder … nein, ein Wolf. Ein großer, mächtiger Wolf, dessen grün-goldene Augen sie fixierten, und der sie zu ihrer nächsten Beute auserkoren hatte – Aki schauderte.
    Lucius blieb vor ihr stehen. „Eine angenehmere Überraschung hätte ich mir für heute Abend nicht wünschen können“, sagte er. Der leise Spott in seiner Stimme nahm seinen Worten das Glatte. Doch sie spürte, dass darin ein Quäntchen Wahrheit steckte.
    Vielleicht sogar mehr als ein Quäntchen , hoffte sie und erwiderte sein Lächeln.
    „Kommen Sie jetzt besser mit Ihrem Wagen zurecht?“
    Seine Miene bekam etwas Gequältes, und er rieb sich verlegen über das Ohrläppchen. „Ah, anscheinend hat Miza schon meine schlechten Fahrkünste hervorgehoben?“
    „Eigentlich habe ich mir schon selbst einen ganz guten Eindruck verschaffen können“, lächelte sie.
    „So schlimm?“
    „Das Auto tat mir leid.“
    Er seufzte leise. „Bringen Sie mir bei, wie es besser geht“, sagte er freundlich und fasste ihre Hand. Diese winzige Berührung reichte aus, damit sich Akis Nackenhaare aufstellten, und sie ungewollt tiefer einatmete. Die Reaktion blieb ihm nicht verborgen. Sein Lächeln vertiefte sich, und er drückte leicht ihre Finger, während er sie zu seinem Wagen führte. „Sie wollten doch sicher ins ‚Dark Forrest’“, plauderte er freundlich und öffnete die Beifahrertür, um die vollkommen gebannte Aki Platz nehmen zu lassen. Sie ließ sich auf den hellen Ledersitz sinken und wartete, bis auch er wieder am Steuer saß. „Eigentlich war ich mir noch nicht sicher“, antwortete sie wesentlich kleinlauter als noch zuvor.
    „Wir sind fast da – also, wie fange ich an?“, fragte er und ignorierte offensichtlich ihr Unbehagen.
    Aki sah ihn an, als ob er den Verstand verloren hatte, aber er grinste nur leicht und entblößte damit zwei übermäßig spitze Eckzähne. Nicht unnatürlich groß, aber sie waren spitz und fielen dadurch auf. Aki senkte den Blick. „Starten Sie den Wagen.“
    Er drehte den Schlüssel im Zündschloss und nahm dann ihre Hand, um sie auf seine zu legen, die den Schaltknüppel umfasst hielt.
    „Und nun?“
    Bei diesem neuerlichen Hautkontakt schauderte sie abermals und drückte ihre Hand fester auf seine. Sie wusste erst nicht ganz, was er wollte, aber als er aufmunternd auf ihre Hände deutete, bewegte sie ihre nach links und nach oben. Der erste Gang rastete ein, und er betätigte die Pedale, so dass sich die teure Karosserie bewegte. Er beschleunigte, Aki schob seine Hand sanft weiter – erst in den zweiten und als er schneller fuhr, in den dritten Gang.
    Es dauerte nicht lange, und sie erreichten eine alte Fabrik. Die Außenfassade zeigte die Spuren von jahrzehntelangem Ruß und Qualm, die Umgebung war reines Brachland. Einige dürre Sträucher und hartnäckiges Gras sprossen aus dem Boden. Der Parkplatz war voll mit teuren Wagen, die vor dem Eingangstor standen. Es war fest
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