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Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf
Autoren: Agatha Christie
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Baumgestrüpp stand ein halbverfallener Schuppen. Vor der Tür erwartete sie eine ältere Frau mit energischem Gesicht.
    Sie blickte Tuppence an und nickte zustimmend.
    Im Schuppen setzte Tuppence sich auf eine umgestülpte Kiste und überließ sich den erfahrenen Händen der Polizistin. Schließlich gab die Frau sie frei, trat zurück, nickte wieder zustimmend und bemerkte: »So, fertig. Nicht übel, gar nicht übel. Was meinen Sie, Sir?«
    »Ausgezeichnet!«, rief Tony.
    Tuppence streckte die Hand aus und nahm von der Frau einen Spiegel entgegen. Sie betrachtete ihr Gesicht und hätte vor Überraschung fast geschrien.
    Ihre Brauen, in einer völlig veränderten Weise geschwungen, gaben dem Gesicht einen fremden Ausdruck. Die Haut war durch kleine, von Löckchen verdeckte Heftpflaster über den Ohren hochgezogen, sodass das ganze Gesicht verändert war. Der Nase war ein Stück Plastilin aufgesetzt, und auf einmal hatte Tuppence ein Adlerprofil. Tiefe Furchen zu beiden Seiten des Mundes ließen sie mehrere Jahre älter erscheinen. Alles in allem sah sie sanft und ein wenig einfältig aus.
    »Unglaublich geschickt gemacht«, sagte Tuppence bewundernd und betastete vergnügt ihre Nase.
    »Geben Sie Acht«, mahnte die Frau. »Könnten Sie übrigens das in den Backen halten?« Sie gab Tuppence zwei dünne Kautschukscheibchen.
    »Wenn’s sein muss«, seufzte Tuppence, nicht gerade begeistert.
    Sie schob die Scheibchen in den Mund und rückte sie mit der Zunge in die Backentaschen. »Es ist gar nicht mal so unbequem«, gab sie dann zu.
    Nun verließ Tony diskret den Schuppen; Tuppence zog ihre Kleider aus und legte die Schwesterntracht an. Sie passte ihr ganz gut, nur um die Schultern spannte sie ein wenig. Die dunkelblaue Haube vollendete ihre neue Erscheinung. Aber zu den derben, breiten Schuhen konnte sie sich nicht entschließen.
    »Wenn ich acht Kilometer laufen soll«, sagte sie, »dann muss ich schon meine eigenen Schuhe tragen.«
    Beide gaben zu, dass sie Recht hatte – auch passten ihre festen Schuhe gut zu der Schwesterntracht.
    Sehr interessiert sah sie dann in die dunkelblaue Handtasche: zwei Pfund, vierzehn Shilling und etwas Kupfergeld in englischer Währung; ein Taschentuch und eine Identitätskarte auf den Namen Freda Elton, Manchester Road 4, Sheffield.
    Tuppence verstaute ihren Puder und ihren Lippenstift in der Tasche und stand auf, zum Gehen bereit.
    Tony Marsdon wandte den Kopf ab. »Ich komme mir vor wie ein Schwein«, brummte er, »ich dürfte es nicht zulassen.«
    »Ich kann mir genau vorstellen, wie Sie sich vorkommen.«
    »Sehen Sie, wenn die Sache nicht so verzweifelt notwendig wäre… wir müssen unbedingt in Erfahrung bringen, wo und wie der Angriff geplant ist.«
    Tuppence klopfte ihm auf den Arm. »Machen Sie sich keine Sorgen, mein Junge«, tröstete sie. »Ob Sie es glauben oder nicht, die ganze Sache macht mir einen Riesenspaß.«
    »Sie sind einfach großartig«, sagte Tony Marsdon mit einem Seufzer.
     
    Tuppence fühlte sich ziemlich müde, als sie das Haus Nr. 14 an der St. Asalph’s Road erreicht hatte und aus dem Türschild ersah, dass Dr. Binion Zahnarzt war.
    Mit einem Seitenblick bemerkte sie Tony Marsdon. Er saß ein paar Häuser weiter entfernt in einem schnittigen Auto. Sie hatten beschlossen, dass Tuppence, genau der Instruktion folgend, zu Fuß nach Leatherbarrow gehen musste, denn es hätte auffallen können, wenn sie im Auto gefahren wäre.
    Tatsächlich waren zwei feindliche Flugzeuge ziemlich tief in weiten Schleifen über die Dünen geflogen; von diesen Flugzeugen aus konnte ein Beobachter die einsame Gestalt der Krankenschwester leicht verfolgen.
    Tony war zusammen mit der Polizistin in der entgegengesetzten Richtung fortgefahren und hatte Leatherbarrow auf einem weiten Umweg erreicht. Jetzt hielt er auf der St. Asalph’s Road Wache, und alles war bereit.
    »Und auf fliegen die Türen der Arena«, murmelte Tuppence vor sich hin, »und eine Christin tritt ein, den Löwen zum Fraß. Uninteressant ist mein Leben wirklich nicht!«
    Sie läutete. Dabei überlegte sie, was für Gefühle Deborah wohl für Tony Marsdon hegen mochte.
    Die Tür wurde von einer stämmigen älteren Frau geöffnet.
    »Ist Dr. Binion zu sprechen?«, fragte Tuppence.
    Die Frau sah sie langsam von oben bis unten an.
    »Sie sind wohl Schwester Elton?«
    »Ja.«
    »Kommen Sie bitte nach oben ins Sprechzimmer.«
    Sie trat zurück und schloss die Tür hinter Tuppence. Sie standen jetzt in einem engen
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