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Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf
Autoren: Agatha Christie
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Wuschelkopf hob sich von einer wollenen Soldatenkappe.
    Tommy schnappte nach Luft, das Zimmer drehte sich um ihn. Mrs Blenkensop! Tuppence! Nichts war unmöglicher, unglaublicher – und doch saß da Tuppence ruhig strickend im Salon von Sans Souci.
    Sie begegnete seinem Blick – höflich, uninteressiert, fremd.
    Seine Bewunderung stieg.
    Tuppence!

2
     
    T ommy wusste später selbst nicht mehr, wie dieser Abend vorübergegangen war. Er wagte kaum, seine Blicke in die Richtung von Mrs Blenkensop schweifen zu lassen. Zum Abendessen erschienen noch drei weitere Pensionsgäste: ein schon betagtes Ehepaar namens Cayley und eine junge Mutter, eine Mrs Sprot, die mit ihrem Töchterchen aus London gekommen war und sich in Leahampton entsetzlich langweilte. Sie saß neben Tommy, starrte ihn von Zeit zu Zeit mit ihren hellen Fischaugen an und fragte mit leicht nasaler Stimme: »Finden Sie nicht auch, dass es in London gar nicht mehr so gefährlich ist? Alle gehen doch jetzt wieder zurück, nicht?«
    Bevor Tommy auf diese naive Frage etwas antworten konnte, sagte seine andere Nachbarin, die beperlte Dame: »Wer Kinder hat, muss vorsichtig sein. Denken Sie nur, Ihrer süßen kleinen Betty stieße etwas zu. Das könnten Sie sich ja nie verzeihen. Und Hitler hat doch gedroht, jetzt komme der Luftkrieg bald auch nach England, und dann sollen die Deutschen auch ein ganz neues Gas haben.«
    »Viel Blödsinn wird über Gas geschwätzt«, warf Major Bletchley ärgerlich ein. »Die werden ihre Zeit nicht mit Gas und solchem Firlefanz vertun. Hochexplosiv – und Brandbomben – damit hat man in Spanien gearbeitet.«
    Die ganze Tischrunde vertiefte sich mit Behagen in dieses Thema.
    Dann platzte Tuppence heraus, mit heller Stimme und ziemlich einfältig: »Mein Sohn Douglas sagt…«
    Sieh mal einer an, Douglas, dachte Tommy, nun möchte ich doch wissen, weshalb eigentlich Douglas.
    Das so genannte Dinner bestand anspruchsvoll aus sieben mageren Gängen ohne Saft und Kraft und ohne genauer bestimmbaren Geschmack. Nach dem Essen gingen alle in den Salon. Die Damen strickten, während Tommy eine tödlich langweilige Geschichte von Major Bletchleys Abenteuern an der Nordwestfront über sich ergehen lassen musste.
    Der blonde, blauäugige junge Mann stand auf, machte an der Tür eine knappe Verbeugung und verließ das Zimmer.
    Major Bletchley unterbrach seine Erzählung und gab Tommy einen kleinen Rippenstoß.
    »Der Junge, der da gerade rausgegangen ist, das ist ein Flüchtling – einen Monat vor Kriegsausbruch aus Deutschland getürmt.«
    »Deutscher?«
    »Ja. Sein Vater hat das Nazi-Regime kritisiert, und das ist ihm natürlich übel bekommen. Zwei Brüder stecken drüben im Konzentrationslager. Er selbst konnte mit knapper Not entwischen.«
    Dann wurde Tommy von Mr Cayley mit Beschlag belegt, der einen unendlich langen Bericht über seinen Gesundheitszustand zum besten gab.
     
    Am folgenden Morgen stand Tommy zeitig auf und machte einen kleinen Spaziergang. Er schlenderte zur Mole, und auf dem Rückweg sah er auf der Promenade eine vertraute Gestalt auf sich zukommen. Er zog den Hut.
    »Guten Morgen«, sagte er vergnügt. »Mrs Blenkensop, wenn ich nicht irre?«
    Es war niemand in Hörweite. Tuppence antwortete: »Sie irren sich keineswegs.«
    »Tuppence, wie in aller Welt kommst du hierher?«, murmelte Tommy. »Das ist einfach ein Wunder.«
    »Gar kein Wunder. Nichts als ein bisschen gesunder Menschenverstand.«
    »Dein gesunder Menschenverstand vermutlich?«
    »Ja, wessen sonst? Du und dein großspuriger Mr Grant!
    Na, dem hab ich’s gezeigt. Wird sich’s hoffentlich eine Lehre sein lassen!«
    »Komm, Tuppence, erzähl, wie du das angestellt hast. Ich sterbe vor Neugier.«
    »Es war furchtbar einfach. Als Grant von unserem Mr Carter sprach, spannte ich schon, was los war. Das konnte ja keine alberne Büroarbeit sein. Aber er wollte in meiner Gegenwart nicht sprechen, das hatte ich auch gleich heraus. Also, dachte ich, besser, du gehst. Ich holte den Sherry, und dabei rannte ich schnell zu den Browns hinunter und telefonierte mit Maureen. Ich erzählte ihr ganz rasch, sie müsse mich anrufen und das und das sagen. Sie machte es großartig; fein laut hat sie gequiekt. Durchs ganze Zimmer musstet ihr hören, was sie sagte. Dann tat ich erschreckt, spielte die besorgte Freundin, bedauerte unendlich und sauste weg. Die Korridortür knallte ich zu, aber natürlich blieb ich drin, schlich ins Schlafzimmer und machte ganz leise die
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