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Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf
Autoren: Agatha Christie
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und Tommy die verlorene kleine Gestalt den Bahnsteig entlanggehen sah, schnürte es ihm doch die Kehle zu. Gut, es war Krieg – aber musste er deshalb seiner Tuppence davonlaufen?
    Dann riss er sich zusammen. Befehl war Befehl.
    Er fuhr nach Schottland – wie ausgemacht – und nahm am nächsten Tag einen Zug nach Manchester. Am dritten Tag fuhr er nach Leahampton. Dort stieg er im ersten Hotel ab und erkundigte sich am folgenden Tag in mehreren kleinen Gasthöfen und Pensionen nach freien Zimmern und nach dem Preis für einen längeren Aufenthalt.
     
    Die Pension Sans Souci war eine dunkelrote, im viktorianischen Stil erbaute Villa am Hang eines Hügels. Von den Fenstern des oberen Stockwerks aus hatte man einen schönen Blick aufs Meer. In der Halle roch es nach Staub und Küche, der Teppich war ziemlich abgetreten. Er verhandelte mit der Besitzerin, Mrs Perenna, in deren Büro, einem kleinen, unordentlichen Raum mit einem großen, von Papieren bedeckten Schreibtisch.
    Auch Mrs Perenna sah ziemlich unordentlich aus. Sie war eine Frau in mittleren Jahren mit wildem schwarzem Gelock und etwas aufs Geratewohl hingeschmiertem Make-up, beim Lachen zeigte sie sehr weiße Zähne.
    Tommy murmelte undeutlich etwas von einer älteren Kusine, Miss Meadowes, die vor zwei Jahren hier gewesen sei. Mrs Perenna entsann sich noch gut an Miss Meadowes – so eine nette alte Dame, das heißt, gar nicht so alt – noch sehr lebhaft und mit so viel Humor.
    Vorsichtig stimmte Tommy zu. Er wusste, dass es wirklich eine Miss Meadowes gab; in diesen Dingen war die Abteilung sehr genau.
    Auf die Frage, wie es denn der lieben Miss Meadowes gehe, erklärte Tommy betrübt, dass diese nicht mehr am Leben sei. Mrs Perenna klappte bedauernd die Zähne zusammen, murmelte etwas Angemessenes und setzte eine korrekte Trauermiene auf.
    Aber bald redete sie wieder mit großer Zungenfertigkeit. Ja, sie hatte bestimmt genau das Zimmer, das Mr Meadowes suchte. Wunderschöner Blick aufs Meer. Mr Meadowes hatte ja so Recht, nicht in London zu bleiben. Dort war es heutzutage zu niederdrückend, und überhaupt, nach so einer bösen Grippe…
    Immer weiterredend, führte Mrs Perenna Tommy die Treppe hinauf und zeigte ihm verschiedene Schlafzimmer. Sie nannte den Wochenpreis. Tommy zeigte sich entsetzt. Mrs Perenna erklärte, dass die Unterhaltskosten so furchtbar gestiegen seien, und seufzte: »Dieser schreckliche Krieg!«
    Tommy stimmte ihr zu und sagte, seiner Meinung nach müsse Hitler gehängt werden. Verrückt sei der Kerl, einfach verrückt. Das war auch Mrs Perennas Meinung. Und dann die Rationierung, und beim Metzger bekam man nie, was man wollte, und Leber und Bries schienen überhaupt nicht mehr vorhanden zu sein. Schrecklich schwer, unter solchen Umständen einen Haushalt zu führen; aber weil Mr Meadowes ein Verwandter von Miss Meadowes war, wollte sie ihm schließlich ein halbes Pfund nachlassen.
    Tommy sagte, er werde es sich überlegen, und Mrs Perenna begleitete ihn zur Gartentür, redete geläufiger denn je und entfaltete eine Schalkhaftigkeit, die Tommy sehr beunruhigend fand. Auf ihre Weise, das musste er zugeben, war sie eine ganz hübsche Frau. Welcher Nationalität sie wohl sein mochte? Sicher keine reine Engländerin. Der Name klang spanisch oder portugiesisch; aber das war die Nationalität ihres Mannes, nicht ihre eigene. Ihre Lebhaftigkeit mutete recht irisch an, aber sie sprach keinen Dialekt.
    Schließlich kamen sie überein, dass Mr Meadowes am nächsten Tag einziehen sollte.
    Tommy erschien um sechs Uhr abends.
    Mrs Perenna kam ihm in der Halle entgegen, rief einem ziemlich dumm aussehenden Mädchen, das Tommy mit offenem Mund anglotzte, allerlei Anweisungen hinsichtlich des Gepäckes zu und führte ihn dann in den so genannten Salon.
    »Ich stelle meine Gäste immer selbst vor«, sagte sie und erwiderte die argwöhnischen Blicke von fünf Leuten mit einem strahlenden Lächeln. »Das ist unser neuer Hausgenosse, Mr Meadowes – Mrs O’Rourke.« Ein erschreckendes Gebirge von Frau mit Knopfaugen und einem Schnurrbart lächelte ihm zu. »Major Bletchley.« Major Bletchley betrachtete Tommy abschätzend und machte eine steife Verbeugung.
    »Mr von Deinim.« Ein blonder, blauäugiger junger Mann erhob sich steif, um sich zu verbeugen.
    »Miss Minton.« Eine ältliche Dame mit vielen Perlenketten, ein Strickzeug in den Händen, kicherte und lächelte ihn an.
    »Und Mrs Blenkensop.« Noch eine emsige Strickerin – ein dunkler
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