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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache
Autoren: Thomas Harris
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jetzt gehen. Die lassen sich hier durch nichts beeindrucken - keine großkotzigen Briefköpfe, keine Beglaubigungsschreiben, nichts. Die werfen einen einfach raus, wenn die Zeit um ist. Bis später.«
    Molly befand sich im Warteraum der Intensivstation, wo ihr eine Menge ängstlicher und übermüdeter Leute Gesellschaft leisteten.
    Crawford trat auf sie zu. »Molly...«
»Hallo, Jack. Sie sehen ja wirklich blendend aus. Wollen Sie sich nicht für eine Gesichtstransplantation zur Verfügung stellen?«
»Molly, ich bitte Sie.«
»Haben Sie ihn sich angesehen?«
»Ja.«
»Ich dachte, erst, ich könnte ihn nicht ansehen, aber dann habe ich es doch gemacht.«
»Sie kriegen ihn schon wieder hin, haben die Ärzte gesagt. Er wird wieder werden. Möchten Sie, daß jemand bei Ihnen bleibt, Molly? Ich habe Phyllis mitgebracht. Sie -«
»Nein. Tun sie bitte nichts mehr für mich.« Nach einem Papiertaschentuch fummelnd, wandte sie sich ab. Als sie die Handtasche öffnete, fiel sein Blick auf den Brief - teures, violettes Briefpapier, das er schon einmal gesehen hatte.
Obwohl Crawford das folgende äußerst unangenehm war, führte kein Weg daran vorbei.
»Molly.«
»Was ist?«
»Will hat einen Brief bekommen.«
»Ja.«
»Hat Ihnen den die Schwester gegeben?«
»Ja, sie hat ihn mir gegeben. Sie bewahren auch die Blumen von seinen Freunden aus Washington auf.«
»Dürfte ich den Brief mal sehen?«
»Ich werde ihn Will geben, wenn ihm danach ist.«
»Bitte, lassen Sie mich den Brief sehen.«
»Warum?«
»Weil er nichts von... dieser speziellen Person zu hören braucht.«
Mit seinem Gesichtsausdruck stimmte etwas nicht, denn sie senkte ihren Blick auf den Brief und ließ ihn mitsamt der Handtasche fallen. Ein Lippenstift rollte über den Boden.
Crawford bückte sich, um Mollys Sachen aufzuheben, da hörte er das rasche Tippeln von Absätzen, als sie aus dem Raum eilte und ihre Handtasche zurückließ.
Er gab die Handtasche der Stationsschwester..Crawford wußte, daß es für Lecter nahezu unmöglich war, das zu bekommen, was er hierfür benötigt hätte; trotzdem wollte er im Falle Lecters keine Risiken eingehen.
Er bat einen Assistenzarzt, den Brief in der Röntgenabteilung zu fluoroskopieren. Dann schlitzte Crawford den Umschlag mit einem Taschenmesser an allen vier Kanten auf und untersuchte seine Innenseiten sowie seinen Inhalt auf irgendwelche Flekken oder Staubspuren - immerhin hatten sie im Chesapeake Hospital Lauge zum Putzen, und eine Apotheke gab es dort auch.Endlich zufrieden, las er:
    Lieber Will,
    Da wären wir also, Sie und ich, und vegetieren in unseren Pflegeanstalten dahin. Sie haben Ihre Schmerzen, und ich bin ohne meine Bücher - dafür hat unser hochgebildeter Dr. Chilton schon zu sorgen gewußt.
    Wir leben in einer rohen und ungebildeten Zeit - oder etwa nicht, Will? - weder unverbildet primitiv noch weise. Halbherzige Maßnahmen sind ihr Fluch. Jede halbwegs vernünftige Gesellschaftsform würde mich entweder töten oder mir Bücher zur Verfügung stellen.
    Ich wünsche Ihnen eine baldige Genesung und hoffe, Sie werden nachher nicht allzu häßlich aussehen. Ich denke oft an Sie.
    Hannibal Lecter Der Arzt sah auf seine Uhr. »Brauchen Sie mich noch?« »Nein«, entgegnete Crawford. »Wo haben Sie hier den
    Verbrennungsofen?«
    Als Crawford vier Stunden später zur nächsten Besuchszeit in die Klinik zurückkam, war Molly weder im Wartezimmer noch in der Intensivstation.
    Graham war wach. Unverzüglich zeichnete er ein Fragezeichen aufs Papier. »D. wie gestorben?« schrieb er darunter.
Crawford erzählte es ihm. Graham lag währenddessen eine ganze Minute vollkommen reglos da. Dann schrieb er: ›Wie davongekommen?‹
»Gut«, begann Crawford. »In St. Louis. Dolarhyde muß nach Reba McClane gesucht haben. Er kam in die Entwicklungsanstalt, während wir dort waren, und hat uns gesehen. Auf dem offenen Fenster eines Heizungsraums wurden seine Fingerabdrücke entdeckt - erfahren haben wir das erst gestern.«
Graham tippte auf den Notizblock. ›Leiche?‹
»Wir glauben, daß es ein gewisser Arnold Lang war- er gilt als vermißt. Sein Wagen wurde in Memphis entdeckt. Er wird gerade nach Fingerabdrücken untersucht. Sie wollen mir in Kürze Bescheid geben. Doch laß mich dir alles schön der Reihe nach erzählen.
Dolarhyde wußte jedenfalls, daß wir da waren. Er hat sich aus der Entwicklungsanstalt davongestohlen und ist zu einer Servco-Supreme-Tankstelle an der U. S. 270 gefahren, wo Arnold Lang gearbeitet hat.
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