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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache
Autoren: Thomas Harris
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Abdrücke davon anfertigen. Und die können wir dann behalten.«
    Crawford und die anderen gesellten sich zu dem dicken Leichenbeschauer neben seinem Wagen.
    Graham war nun allein und ungestört mit dem Haus. Er lauschte dem Geräusch des Winds in den Schornsteinen. Er hoffte, Bloom würde sich diesen Ort ansehen, sobald es ihm wieder besser ging. Vermutlich würde er sich diese Gelegenheit tatsächlich nicht entgehen lassen.
    Graham wollte mehr über Dolarhyde wissen. Vor allem wollte er wissen, was sich hier zugetragen hatte, was den Drachen zu dem hatte werden lassen, was er geworden war. Aber fürs erste hatte er genug. Eine Spottdrossel ließ sich auf einem Kamin nieder und trällerte los.
    Graham pfiff zurück.

    Nun konnte er wieder nach Hause.

52. K APITEL

    G raham lächelte, als er spürte, wie ihn die gewaltige Schub kraft des Jets himmelwärts und fort von St. Louis katapultierte, wie die Maschine dann quer über die Bahn der Sonne nach Süden schwenkte und endlich in Richtung Osten auf Heimatkurs ging.
    Molly und Willy würden ihn bereits erwarten.
»Vergeuden wir jetzt doch nicht die Zeit mit langen Diskussionen, wem was leid zu tun hat«, hatte sie am Telefon kurz und bündig erklärt. »Ich hole dich in Marathon ab, ja?«
Zu gegebener Zeit hoffte er, sich an die wenigen guten Momente erinnern zu können - an die Befriedigung, Menschen bei der Arbeit zu beobachten, die mit ganzem Herzen bei der Sache waren. Er nahm sogar an, daß man das überall finden konnte, solange man nur genug über das Bescheid wußte, was man beobachtete.
Es wäre etwas überheblich gewesen, Lloyd Bowman und Beverly Katz zu danken, weshalb er ihnen am Telefon nur versicherte, es wäre ihm ein Vergnügen gewesen, wieder mit ihnen gearbeitet zu haben.
Eines jedoch machte ihm etwas Sorgen, und zwar das Gefühl, das er gehabt hatte, als Crawford in Chicago vom Telefon aufgesehen und ihm zugerufen hatte: »Es ist Gateway.«
Möglicherweise hatte er nie einen intensiveren und wilderen Triumph verspürt als in diesem Augenblick. Es war etwas beunruhigend zu wissen, daß das der schönste Augenblick in seinem Leben gewesen war - als er in diesem tristen und stickigen Geschworenenzimmer in Chicago bereits alles gewußt hatte, bevor er es wirklich hatte wissen können.
Er erzählte Lloyd Bowman nicht, was das für ein Gefühl gewesen war; aber das war auch gar nicht weiter nötig.
»Wissen Sie eigentlich, daß Pythagoras den Musen hundert Ochsen geopfert hat, als feststand, daß sein berühmter Lehrsatz unverrückbar gültig war«, sagte Bowman. »Es gibt einfach nichts Schöneres, oder nicht? Sie brauchen dazu nichts zu sagen, Will
- es hält länger vor, wenn man es nicht zerredet.« Je näher er Florida und Molly kam, desto ruhiger wurde Graham. In Miami mußte er über das Rollfeld zu der Aunt Lula gehen, einer alten DC-3, die nach Marathon weiterflog.
Er mochte DC-3 s. An diesem Tag mochte er alles.
Die Aunt Lula war gebaut worden, als Graham fünf Jahre alt war, und ihre Tragflächen waren von einem nicht mehr zu entfernenden Ölfilm überzogen, der vom Fahrtwind von den Motoren über sie verteilt wurde. Graham hatte uneingeschränktes Vertrauen in die alte Kiste. Er eilte auf sie zu, als wäre sie eben in einer Dschungellichtung niedergegangen, um ihn zu retten.
Die Lichter von Islamorada tauchten unter ihm auf, als die Maschine über die Insel hinwegschwenkte. Auf der Atlantikseite konnte Graham die Schaumkronen auf den Wellenkämmen ausmachen. Wenige Minuten später setzten sie zum Landeanflug auf Marathon an.
Es war wie das erste Mal, als er nach Marathon gekommen war. Auch damals war er an Bord der Aunt Lula gesessen, und noch oft war er danach in der Dämmerung zum Flugplatz hinausgefahren, um die alte DC-3, die Landeklappen heruntergelassen, Flammen aus ihren Auspuffen züngelnd und die Passagiere in der Geborgenheit hinter den erleuchteten Fenstern sitzend, gemächlich zur Landung ansetzen zu sehen. Auch die Starts waren schön anzusehen. Doch wenn das alte Flugzeug dann seine riesige Kehre nach Norden abgeschlossen hatte, blieb er ausnahmslos mit einem traurigen und leeren Gefühl zurück, während die Luft noch immer von dem tränentreibend stechenden Geruch zahlloser Abschiede erfüllt war. Deshalb hatte er sich angewöhnt, sich nur die Landungen und die damit verbundenen Begrüßungen anzusehen.
Das war vor Molly gewesen.
Mit einem letzten Ächzen kam die Maschine auf dem Rollfeld zum Stillstand. Graham sah Molly und
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