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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache
Autoren: Thomas Harris
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zufriedenzustellen
schien.
Schweißüberströmt und mit hochrotem Kopf schlüpfte er aus
seinem Asbestanzug und setzte sich auf das Trittbrett des Löschfahrzeugs. Er bat einen Feuerwehrmann um seinen Regenmantel
und warf ihn sich über die Schultern.
Dann legte er das Metallstück auf den Boden und blies den
Aschefilm fort, mit dem es überzogen war. »Dynamit«, wandte
er sich Graham zu. »Hier, sehen Sie das Farnmuster im Metall?
Dieses Zeug ist genau von der Sorte, wie man es in einer Truhe
oder einem Werkzeugschrank aufbewahrt. Das war es höchstwahrscheinlich. Dynamit in einem Werkzeugschrank. Allerdings
ist es nicht im Keller explodiert. Sieht eher nach dem Erdgeschoß aus. Sehen Sie, wo dieser Baum dort drüben gekappt ist,
wo ihn diese marmorne Tischplatte getroffen hat? Seitlich rausgeblasen. Das Dynamit war in etwas aufbewahrt, das die
Flammen eine Weile davon abgehalten hat.«
»Und wie sieht’s mit möglichen Überresten aus?« »Viel ist bestimmt nicht von ihm übrig geblieben, aber ganz
in Luft hat sich noch niemand aufgelöst. Wir werden einiges zu
tun haben. Aber wir werden schon was von ihm finden. Ich
werde ihn Ihnen in einem kleinen Beutel überreichen.«
    Nachdem man ihr im DePaul Hospital eine Beruhigungsspritze gegeben hatte, war Reba McClane kurz nach Tagesanbruch eingeschlafen. Sie bestand darauf, daß die Polizistin an ihrem Bett sitzen blieb. Jedesmal, wenn sie im Lauf des Vormittags vorübergehend aufwachte, tastete sie nach der Hand der Frau. Als sie um ein Frühstück bat, brachte es ihr Graham.
    Wie sollte er vorgehen? Manchmal fiel es ihnen leichter, wenn man sich ganz distanzierte und unpersönlich verhielt. Im Fall Reba McClanes hielt er das jedoch nicht für angebracht.
    Er sagte ihr, wer er war.

    »Kennen Sie ihn?« fragte sie die Polizistin.
    Graham zeigte der Polizistin seinen Ausweis. Doch das erwies sich als überflüssig.
»Ich weiß, daß er vom FBI ist, Miß McClane.«
Darauf erzählte Reba ihm alles, was sie mit Francis Dolarhyde erlebt hatte. Ihre Kehle war wund, weshalb sie häufig in ihrer Erzählung innehielt, um etwas zerstoßenes Eis zu lutschen.
Graham stellte ihr auch eine Reihe von unangenehmen Fragen, die sie ihm jedoch ohne Zögern beantwortete. Nur einmal winkte sie ihn hastig nach draußen, während ihr die Polizistin eine Schale vorhielt, in die sie ihr Frühstück übergab.
Ihr Gesicht war blasser, aber zugleich gründlich gesäubert und straffer, als Graham den Raum wieder betrat.
Nachdem er ihr seine letzten abschließenden Fragen gestellt hatte, klappte er sein Notizbuch zu. »Ich würde gern noch einmal vorbeikommen«, erklärte er. »Aber keine Angst: Ich werde Sie dieser Prozedur nicht noch einmal unterziehen. Nur um Ihnen guten Tag zu sagen und zu sehen, wie es Ihnen geht.«
»Was sollte das schon groß ändern - bei jemandem wie mir?«
Zum erstenmal bemerkte Graham Tränen in ihren Augen, und ihm wurde bewußt, in welchem Umfang die ganze Geschichte an ihr nagte.
»Würden Sie uns bitte einen Moment allein lassen?« wandte Graham sich darauf an die Polizistin und ergriff Rebas Hand.
»Gewiß hat mit Dolarhyde eine ganze Menge nicht gestimmt, aber auf Sie trifft das in keiner Weise zu. Sie haben doch selbst gesagt, daß er sehr aufmerksam und liebenswürdig zu Ihnen war. Und denken Sie nicht, ich würde Ihnen das nicht glauben. Ihnen ist es gelungen, die guten Seiten seines Wesens zum Vorschein zu bringen. Nicht umsonst konnte er sie zum Schluß nicht umbringen beziehungsweise sterben sehen. Leute, die sich ausführlicher mit so etwas befassen, sind der Ansicht, daß er mit dem Morden aufzuhören versucht hat. Warum? Weil Sie ihm durch Ihre Zuneigung plötzlich auch andere Seiten seines Wesens gezeigt haben. Dadurch haben Sie vermutlich sogar einigen Menschen das Leben gerettet. Sie haben sich keineswegs auf ein menschliches Ungeheuer eingelassen. Sie haben sich auf einen Mann eingelassen, dem ein Ungeheuer im Nacken saß. Sie sind vollkommen in Ordnung, meine Liebe. Und alles, was Sie in dieser Hinsicht Gegenteiliges denken sollten, ist kompletter Unsinn. Halten Sie sich das immer vor Augen. Ich werde Sie in ein paar Tagen noch einmal besuchen kommen. Wenn man wie ich ständig mit Polizisten zu tun hat, ist man um jede Abwechslung froh - hier sollten Sie übrigens etwas wegen Ihres Haars unternehmen.«
Sie schüttelte den Kopf und winkte ihn zur Tür. Vielleicht grinste sie dabei sogar ein wenig, wenn Graham sich auch nicht ganz sicher war.
    Als
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