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Rosskur: Ein Allgäu-Krimi

Rosskur: Ein Allgäu-Krimi

Titel: Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
Autoren: Jürgen Seibold
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von seiner Frage nicht allzu überrascht gewesen.
    Die Glocken der katholischen Pfarrkirche Mariä Heimsuchung zerrissen die schläfrige Stille. Beim Begräbnis von Thomas Ruff gaben sich auch die Honoratioren die Ehre, darunter der Bürgermeister, der einige Gemeinderäte im Schlepptau hatte. Rudi Beck, der Wirt des Lechstüberls, hatte wegen der Beerdigung sein Lokal tagsüber ausnahmsweise zugesperrt, und statt des aktuellen Tagesgerichts stand auf der schwarzen Tafel neben der Eingangstür: »Wegen Trauerfalls mittags geschlossen«. Nur den Standardpreis von 4,80 Euro hatte er vergessen wegzuwischen.
    Es wurde eine sehr bewegende Trauerfeier. Die Alphornbläser trugen einige Choräle vor, Musikverein und Chor hatten sich für zwei Kirchenlieder zusammengetan, wobei die Sänger ihre liebe Not hatten, gegen die Trompeten anzukommen. Der Burggener Reit- und Fahrverein hatte es sich nicht nehmen lassen, Thomas Ruffs Sarg mit einem prächtig geschmückten Vierspänner zum Friedhof zu fahren – nachdem sie ihn heimlich zwei Ecken weiter vom Leichenwagen des angeheuerten Bestatters auf die Holzpritsche des Pferdewagens umgeladen hatten.
    Schließlich wurde der Sarg ins Grab hinabgelassen, der Pfarrer trat vom Rand der Grube zurück, und Marlene Ruff, sehr elegant in einem engen schwarzen Kostüm, machte sich auf den schweren Gang zum offenen Grab. Klemens Pröbstl hielt sich eng an ihrer Seite und schien jeden Moment damit zu rechnen, dass er seine womöglich schwächelnde Chefin stützen müsse.
    Für die Trauergäste standen zwei Kisten bereit: eine mit Rosenblüten und eine mit Erde und einer kleinen Gartenschippe. Erst griff sie gedankenverloren nach einer Rosenblüte, dann zuckte ihre Hand zurück, sie besann sich und hob mit der kleinen Schippe etwas Erde aus der anderen Kiste, ehe sie sie gemächlich in das offene Grab rieseln ließ. Dann trat sie ein paar Schritte zurück und wappnete sich für das lange Defilee der Trauergäste, die ihr nun ihr Beileid aussprechen würden.
    Die Reihe der Kondolierenden wollte kein Ende nehmen. Rudi Beck drückte ihr eine Stofftasche in die Hand. Irritiert sah sie hinein: Es war ein reich verzierter Maßkrug, der neben einem Foto des Lechstüberls noch den Namenszug ihres Mannes trug. Sie war fassungslos über diese Geschmacklosigkeit, Tränen schossen ihr in die Augen, doch der ahnungslose Rudi war es zufrieden, die Witwe seines ehemaligen Kunden wegen seines stimmungsvollen Geschenks so gerührt zu sehen. Klemens Pröbstl ließ die Stofftasche schnell hinter einem Buchsbaum verschwinden.
    Irgendwann hatte auch der Letzte sein Beileid ausgedrückt, und Marlene Ruff musste ein paarmal tief durchatmen, um sich nach all dem eintönigen Gemurmel zu besinnen, was nun zu tun war. Sie hob den Kopf, suchte den Friedhof ab und sah gerade noch, wie sich Hermann Ruff ganz am Rand des Areals mit verkniffenem Gesicht abwandte und langsam davonging, flankiert von zwei Männern in schwarzen Jeans und dunklem Hemd.
    Gleich danach entdeckte sie die Frau, nach der sie sich ebenfalls umgeschaut hatte: Halb verdeckt von ein paar Grabsteinen stand Kerstin Wontarra und blickte unverwandt zu Thomas Ruffs Grab herüber. Sie trug schwarze Jeans und eine weiße Bluse unter einer schwarzen, dünnen Wolljacke. Eine Weile sahen sich die Frauen an, dann nickte Marlene Ruff ihr zu. Als Kerstin nicht gleich reagierte, winkte sie sie zu sich.
    Die meisten Trauergäste hatten den Friedhof schon wieder verlassen, aber diejenigen, die noch da waren, blieben stehen und warteten gespannt, was das Zusammentreffen von Ruffs Witwe und seiner Geliebten bringen würde.
    Kerstin und Marlene hatten für die anderen keinen Blick mehr, und als die Jüngere schließlich vor Ruffs Witwe stand, als sie den Mund öffnete, um etwas zu sagen, aber dann doch kein Wort herausbrachte, als sie schließlich zaghaft ihre rechte Hand ausstreckte, zog Marlene sie zu sich heran und umarmte sie fest und lange.
    Am späten Nachmittag fuhr Hansen noch einmal allein los. Er hatte es sich schon in Oldenburg und in Hannover zur Gewohnheit gemacht, nach Abschluss eines Falles noch einmal die wichtigsten Schauplätze zu besuchen. Zwar hatte Hermann Ruff noch immer nicht gestanden, aber das war nur noch eine Frage der Zeit: Inzwischen waren weitere Indizien hinzugekommen, die ihn belasteten.
    Der Erkennungsdienst hatte sein Telefon untersucht, im Zwischenspeicher war mehrmals eine rumänische Nummer aufgeführt. Das passte zu den Informationen,
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