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Rosenschmerz (German Edition)

Rosenschmerz (German Edition)

Titel: Rosenschmerz (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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»Prost, kleine Schwester.«
    Als er Kathis große Augen sah, legte er eine Hand auf ihre Hand und
erläuterte die Zusammenhänge. Er wisse, sagte er, dass sie die Tochter von Paul
Silbernagl sei. Das wisse er aber erst seit Kurzem. Was sie aber nicht wisse,
sei, dass er der Sohn vom Paul Silbernagl sei. Speckbacher heiße er, weil seine
Mutter so heiße, mit der Paul Silbernagl einen Sohn habe, nämlich ihn, Robert.
    Kathi hielt es nicht mehr auf ihrem Stuhl. »Neiiin!«, rief sie laut.
»Das glaub ich nicht!« Ihr rechter Mittelfinger schnellte heraus.
    Der Schreiber in der Ecke warf einen wohlwollenden Blick in Kathis
Richtung. Er erhoffte sich wohl einen Mord.
    »Darfst ruhig glauben«, sagte Robert seelenruhig. »Ich kann’s dir
auch beweisen, dass ich dein Halbbruder bin.« Dabei lächelte er wie ein
Japaner.
    Ein Knoten saß in Kathis Kehle, im Hals, im Hirn, irgendetwas, das
sie am kühlen Denken hinderte.
    »Egal, wie. Du hast ihn umgebracht, den Niki«, kam es aus ihrem
Mund. Selbst jetzt, in der Erregung, schielte sie hinüber zu dem Mann in der
Ecke und dämpfte ihre Stimme.
    »Japp«, sagte er ganz entspannt. »Ich kann dir auch schildern wie
und warum. Wenn’s dich interessiert.«
    *
    »Jetzt wissen wir’s endgültig«, sagte Ottakring energisch.
»Den Brief hat Magda Silbernagl vor ihrem Tod geschrieben. Bevor ihr Mann sie
mit dem Traktor …«
    »Genau«, warf Chili ein. »Vor vierzehn Jahren. Das stimmt auch mit
der Aussage der Spurensicherung überein, dass Papier und Schrift zwischen zehn
und fünfzehn Jahre alt sind. Und mit dem Brief hat Kirchbichler den Bauern
erpresst«, sagte Chili aufgeregt. »Oder erpressen wollen …«
    »Wollen. Denn vorher wurde er umgebracht. Absolut.«
    Chili beugte sich vor. »Bloß wie ist der Brief in seine Hände
gekommen? Die Katharina wird ihm den doch nicht auf dem Tablett überreicht
haben.«
    Ottakring nickte nachdenklich. »Dass sie in den Fall verwickelt sein
muss, ahnen wir ja. Aber vielleicht auf eine Art, die wir bisher noch gar nicht
im Kalkül hatten.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Wir müssen sie sofort
finden.«
    »Wir lassen ihre Wohnung überwachen. Vergessen? Wenn sie dort
angekommen wäre, wüssten wir’s schon.«
    Ottakring hob die Hand hoch. »Trotzdem. Und den Speckbacher sollten
wir vorsichtshalber auch einbestellen. Oder noch besser: Einer von uns fährt
gleich selbst hin.« Ein schräger Blick streifte Chili, die auf der anderen
Seite seines Schreibtischs saß.
    Sie lachte schallend. »Okay, okay. Ich bring ihn am besten gleich
mit. Absolut.«
    *
    Vor dem Café Dinzler beschrieb Robert Speckbacher, wie er
seit Jahr und Tag mit dem Niki an freien Abenden gesoffen und gekokst und das
Fluopram mit ihm geteilt hatte. Bis der Vater zu ihm kam und sagte, dass der
Niki ihn erpresst.
    »Der ist hergekommen und hat mir die Kopie von einem Brief gezeigt«,
hatte Paul Silbernagl angsterfüllt gesagt. »Da schau her, Robert, da isser.«
    Er zeigte seinem Sohn einen Brief, in dem stand: »Meine Welt wird
bald enden. Ich werde euch verlassen. Aber nicht freiwillig. Jemand anders,
jemand, der uns nahesteht, wird das in die Hand nehmen.«
    Silbernagl berichtete weiter. Kirchbichler drohe damit, auch die
Person zu präsentieren, die im Besitz dieses Briefes sei. Es ginge um Mord, und
zwar um einen Mord, den diese Person beobachtet hat. Den Mord an Magda
Silbernagl, Pauls Frau, vor vierzehn Jahren. Es gäbe da die Möglichkeit, dass
diese Person als Zeugin vor Gericht aussagt. Dann käme der Herr Gatte ins
Gefängnis. Lebenslang hinter Gitter. Denn Mord ist unverjährbar. Das ließe sich
natürlich aus der Welt schaffen. Leicht aus der Welt schaffen. Er, der reiche
Bauer Silbernagl, müsse nur eine kleine Spende machen an einen unverschuldet in
Not geratenen, wissenden Künstler. An ihn, Niki Kirchbichler. Allerdings ohne
Spendenbescheinigung.
    »Wieso unverschuldet in Not geraten?«, hatte der Vater gefragt. »Sie
san doch stinkreich. Oder?«
    Das »Oder« hatte der Niki dem Vater zwar nicht erklärt. Aber er
hatte doch äußerst deutlich gemacht, dass die Notlage recht konkret sei. Und er
Geld brauche. Viel Geld. Aber das wäre alles kein Problem, wenn der Herr
Silbernagl nur mit ihm teile. Mit fünfhunderttausend Euro sei er zufrieden. Ein
für alle Mal, da müsse er nichts weiter befürchten, der Herr Silbernagl.
    »So oder so ähnlich ist das Gespräch zwischen unserem
Vater und dem Niki verlaufen damals«, sagte Robert Kirchbichler zu
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