Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rosenrot

Titel: Rosenrot
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
anstrengend. »Verdammt, Arto«, schnauzte er. »Das da ist die total triste Kirche von Flemingsberg. Das da ist das noch tristere Krankenhaus von Huddinge. Und dies hier ist Södertörns Hochschule. Nichts anderes.«
    Arto Söderstedt betrachtete ihn mit himmlischer Geduld. »In deiner Welt vielleicht«, sagte er und streckte sich.
    Sie standen auf einem Hausdach zehn Stockwerke über Flemingsbergs Zentrum und blickten über den sonnenbeschienenen südlichen Vorort, der die vielleicht allerunerträglichsten Bauwerke des Millionenprogramms umfasste. Vor wenigen Jahren noch hatte Flemingsberg den schlechtesten Ruf von allen Stockholmer Vororten – sogar noch schlechter als Tensta und Alby, Fittja und Rinkeby –, doch seit einiger Zeit besserte sich dieser Ruf. Das lag vor allem an Södertörns Hochschule, die sich über das gesamte Zentrum hinzog. Eine Hochschule, die auch die Desillusioniertesten wieder an eine Zukunft für das schwedische Universitäts- und Hochschulwesen glauben ließ. Obwohl sie mit haarsträubendem Verlust geführt wurde. Sie war eine Prüfung für die Regierenden. Alle liebten diese Hochschule, und wenn sie meilenweit über den Rand des Konkurses hinaus betrieben wurde – niemand würde es wagen, sie zu schließen.
    Vielleicht waren derartige Machtmittel vonnöten.
    »Ich verstehe dich nicht«, klagte Viggo Norlander. »Du wärst beinah hops gegangen da unten in Italien. Sie haben dir eine Pistole in die Fresse gedrückt, dass die Zähne nur so flogen. Alle deine Illusionen vom Paradies sind ein Scherbenhaufen. Und trotzdem sehnst du dich jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde zurück.«
    »Sieh mal da«, sagte Arto Söderstedt und zeigte auf etwas.
    »Na gut, wenn du nicht antworten willst«, sagte Norlander beleidigt und folgte dem Zeigefinger des Kollegen hinüber zum Nachbardach, auf dem blau-weiße Plastikbänder im Wind flatterten, als wollten sie die Krähen verscheuchen.
    Dann seufzte Viggo Norlander tief.
    »Sie sind alle ziemlich gleich«, sagte Söderstedt mit Engelsgeduld und wandte sich um. Er ging zur Tür des Raums, der wie ein kleines Haus auf das große Haus gesetzt war; dahinter führte eine Treppe zum Dachboden.
    Norlander ging grummelnd hinterher.
    Es war das dritte Mal, dass sie das falsche Haus erklommen hatten.
    »Aber jetzt sind wir dicht dran«, sagte Söderstedt aufmunternd.
    Viggo Norlander fühlte sich nicht aufgemuntert.
    Obwohl der grummelnde Viggo Norlander inzwischen hauptsächlich eine Maske war – sie entsprach dem, was man von ihm erwartete, und aus reiner Freundlichkeit hielt er daran fest. Im Grunde war er ein glücklicher Mensch, frischgebackener Vater einer zweiten mirakulösen Tochter in ebenso vielen Jahren. Im Alter von zweiundfünfzig. Er bewegte sich im Kreis zarter Mädchen wie unter Engeln. Er war schon im Paradies, also brauchte er sich nicht danach zu sehnen. Und folglich erschien ihm die ständige Sehnsucht seines Kollegen als ziemlich – läppisch, ganz einfach. Kindisch.
    Anderseits hatte er nie richtig begriffen, was mit Arto Söderstedt in Italien eigentlich passiert war.
    Ein beträchtlicher Teil des letzten großen Falls der A-Gruppe hatte sich in Europa, vor allem in Italien abgespielt, außerhalb der Reichweite aller, nur nicht von Söderstedt. Und er hatte nicht mehr erzählt, als was rein professionell gesehen von ihm verlangt wurde.
    Aber etwas fehlte.
    Puzzleteile.
    Er hatte behauptet, seine Frau sei schwanger, aber als sie wieder nach Hause kamen, war davon keine Spur zu sehen.
    Er hatte ein Vermögen geerbt, aber jetzt tat er, als hätte es nichts dergleichen gegeben.
    Er war als Europol-Polizist erfolgreich gewesen, hatte aber nicht einen Augenblick daran gedacht, Kapital daraus zu schlagen.
    Er hatte mindestens einen Kriegsverbrecher aus dem Zweiten „Weltkrieg zur Strecke gebracht, aber kein Wort darüber verloren, wie es eigentlich zugegangen war.
    Der heimgekehrte Arto Söderstedt war ganz einfach ein Wunder an Zurückhaltung.
    Doch damit musste Viggo Norlander zu leben lernen. Söderstedt schloss sich wie eine Muschel, und entweder war er dabei, eine Perle herzustellen – oder er wurde gerade gargekocht.
    Fressen oder gefressen werden, dachte Norlander verwirrt und zwängte sich in den nach Urin stinkenden Aufzug, nur um sich daran zu erinnern, dass der außer Betrieb war. »Wir lassen es an Effizienz mangeln«, sagte er zum Aufzugspiegel.
    »Du jedenfalls«, sagte Söderstedt, öffnete die Aufzugtür von außen und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher