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Rosenmunds Tod

Rosenmunds Tod

Titel: Rosenmunds Tod
Autoren: Theo Pointner
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Wessis, die nach dem Mauerfall wie ein Schwarm Hornissen in die neuen Länder eingefallen waren, zu überlassen. Ohne Korruption lief nichts mehr, in diesem Punkt standen die Kommunalpolitiker ihren Kollegen im Westen in nichts nach. Die ersten Schmiergelder waren geflossen, die Kontakte und Beziehungen wurden besser, irgendwann war alles wieder ein Selbstläufer. Und irgendwann hatte Swoboda entdeckt, dass es neben den offiziellen Geschäftstätigkeiten noch andere Möglichkeiten gab, Geld zu machen. Richtig viel Geld.
    Inzwischen vermittelte er so gut wie alles. Sei es, dass es darum ging, einem finanziell klammen Spediteur eine Leerfahrt aus Osteuropa zu ersparen, indem er einen Container mit Kurden, Tamilen oder Chinesen übernahm, sei es, einem Geschäftsfreund zu helfen, hässliche Rückstände aus einer alten Chemiefabrik zu beseitigen. Swoboda machte es möglich.
    Ehrenbürger der Stadt Bochum war er schon lange, außerdem war er für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes vorgesehen. Als Anerkennung für seine außerordentlichen Bemühungen zum Wiederaufbau Dunkeldeutschlands und zur Förderung des Mittelstandes.
    Und ausgerechnet jetzt drohte diese Razzia.
    Gestern Abend hatte ihn Ottokar Kraft angerufen und ihm offenbart, dass er in einigen Wochen mit dem Besuch der Gesetzeshüter rechnen durfte. Kraft wusste keine Einzelheiten, aber immerhin von der Einleitung der Ermittlungen. Der ehemalige Richter des Landgerichtes hatte auch heute noch beste Kontakte zu den Justizbehörden, was ihm, Swoboda, schon mehr als einmal nützlich gewesen war.
    Langsam wuchtete er sich aus seinem Sessel, knöpfte seine Anzugjacke zu und musterte sein Konterfei in dem Kristallspiegel über dem ausladenden Kamin. In den letzten Jahren war er etwas aus dem Leim gegangen, bei seinen knapp eins achtzig wog er mit vierundneunzig Kilo mindestens fünfzehn Kilo zu viel. Das ehemals pechschwarze Haar war inzwischen nicht mehr nur an den Schläfen ergraut. Eigentlich hätte er dringend mal wieder etwas für sein Outfit tun müssen.
    Swoboda sah auf die Uhr. Kurz vor vierzehn Uhr. Die Samstagnachmittage liebte er; früher war er sogar samstags in die Firma gefahren, um liegen gebliebene Vorgänge in Ruhe aufarbeiten zu können, aber dazu hatte er keine Lust mehr. Es war ja auch nicht mehr nötig. Längst hatte er seine Schäfchen ins Trockene gebracht und eigentlich hätte er sich zur Ruhe setzen können.
    Er schlurfte in seine Küche, wo er sich mit einem großen Glas kalten Tee versorgte. Als er die Kanne in den Kühlschrank zurückstellte, bemerkte er, dass schon die zweite Flasche des billigen ungarischen Rotweins fehlte. Meine Güte, die Kleine schien ja heute einen wahnsinnigen Durst zu haben.
    Mit dem Glas Tee in der Hand verließ der Unternehmer die Küche und steuerte das zum Garten hin gelegene Wohnzimmer an. Schon bevor er einen Flügel der massiven Schiebetür zur Seite gezogen hatte, hörte er das Fiepen und Zirpen der Spielekonsole, untermalt von nervtötender elektronischer Musik.
    Swoboda trat nicht sofort ein, sondern ließ seinen Blick wandern. Kerstin hockte auf dem Teppich vor dem großen Fernseher, auf dessen Bildschirm sich ein abgrundtief hässliches Fantasiewesen abmühte, versteckte Goldstücke zu finden und einzusammeln. Das Mädchen bearbeitete gleichmütig die Steuerung, neben ihr stand die Flasche süßer Rotwein.
    Langsam verringerte Swoboda die Entfernung zwischen sich und dem Fernseher und setzte sich schließlich neben dem Mädchen auf den Teppich. Wegen der Hitze trug sie Shorts, die knapp oberhalb der Knie endeten, und ein ärmelloses Shirt. Die sowieso kurzen Hosenbeine waren weit hochgerutscht, weil Kerstin im Schneidersitz hockte. Swoboda atmete tief durch und rückte ein wenig näher.
    »Na, gewinnst du?«
    »Nee. Ich krieg das einfach nicht hin. Irgendwo müssen noch zwei sein, die ich nicht finde.«
    »Aha«, meinte Swoboda, dem der Fortlauf des Spiels herzlich egal war. Ihn interessierte viel mehr, dass die Stimme des Mädchens schon reichlich verwaschen und schleppend klang. Meine Güte, wenn er sich in dem Alter so betrunken hätte – sein Vater hätte ihn grün und blau geprügelt.
    Mit kleinen Schlucken trank er von seinem Tee und tat so, als ob ihn das Geschehen auf dem Bildschirm faszinierte. Dabei legte er wie selbstverständlich eine Hand auf Kerstins Oberschenkel. Himmel, fühlte sich das weich an.
    Das Mädchen reagierte nicht, Swoboda hatte es auch nicht erwartet. Seine Finger
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