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Rosenmörder (German Edition)

Rosenmörder (German Edition)

Titel: Rosenmörder (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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blinkte linker Hand der Simssee, östlich davon
der Chiemsee.
    Für seine Geschäftsverhandlung beim Notar in Rosenheim hatte er
einen Trachtenanzug getragen, und in wenigen Stunden würde er zum Abendessen in
Winslets Residenz in einen Anzug schlüpfen. Aber für den Augenblick hatte er es
sich bequem gemacht. Jeans, ein limonenfarbenes Hilfiger-Shirt, die Füße
steckten in weichen Mokassins. Wenn ich mich nachher an den Flügel setze,
dachte er, wird es ein vollkommener Tag sein.
    Er wandte sich an seine Frau.
    »Nadjuscha«, nannte er sie bei ihrem Kosenamen, »du wirst heute
Abend deine Charity vorstellen.«
    »Tscherrriti« sprach er das Wort aus. Mit sehr hartem »Err«.
    Nadeschda Gubkin war eine schöne Frau mit aristokratischen
Wangenknochen. Nicht sehr groß gewachsen, mit einer erkennbaren Neigung zur
Fülle. Doch sie strahlte eine Lebendigkeit und Sinnlichkeit aus, die auf jeden
Betrachter übersprang. Vielleicht unterstützt durch das frische,
sommersprossige Gesicht mit den dichten roten Locken. In Salzburg und München
kannte man sie als bedeutende Shopperin. Stets war sie nach der neuesten Mode
gekleidet.
    Nadeschda Gubkin lächelte und nickte.
    Gubkin hörte ein Geräusch und trat wieder ans Fenster. Am anderen
Ende der Einfahrt zum Schloss, etwa einen halben Kilometer entfernt, tauchte
ein Fahrzeug auf. Ein wenig später bog der dunkelblaue Opel in den mit Kies
bestreuten Vorhof ein. Am Nordeingang stellte sich der Motor ab.
    »Das wird Wildschitz sein«, murmelte Gubkin und winkte der Person,
die aus dem Fahrzeug kletterte, zu. Er hatte den vertrauenerweckenden
Gesichtsausdruck eines Kultusministers und das Gebiss eines Kaimans.
    »So geht’s nicht«, sagte er wenig später, als er und
Wildschitz sich bei einem Cappuccino gegenübersaßen. »Ich spende und spende,
und der Gemeinderat verweigert mir die Genehmigung.«
    Andi Wildschitz, braun gebrannt, gewelltes Haar, war kein Feigling.
    »Ich hab Sie über alles Mögliche aus der Gemeinde informiert.
Darlehens- und Stundungsvereinbarungen, Planungsvorhaben hab ich geliefert. Ich
hab Ihnen die Arbeitsgenehmigungen für Ihre Waldarbeiter beschafft. Aber mit
dem Ausweisen von Baulandflächen für Ihr Biotech-Projekt mitten im Waldgebiet
ist’s halt nicht so weit her bei uns. Alle sind dagegen.«
    »Du hast mir’s aber zugesagt. Zusagen muss man einhalten. In meiner
Heimat und in Bayern.«
    Ein kaltes Lächeln umspielte Gubkins Mund. Mit Zeige- und
Mittelfinger trommelte er auf die Tischplatte.
    »Ja, ich hab gesagt, dass ich mich bemühen werde«, sagte Wildschitz.
»Aber ich hab Sie auch gewarnt, dass das seine Zeit braucht. Und richtig aktiv
werden kann ich erst, wenn ich selber Bürgermeister bin …«
    »Na ja, Zweiter bist du ja schon.«
    »… weil – erst dann kann ich die Pläne zur
Gemeindeentwicklung realisieren. Vorher hab ich noch schlechte Karten. Ich hab
nur eine einzige Stimme im Gemeinderat. Der Bürgermeister hat zwei. Und der ist
dagegen.«
    Felix Gubkin war eine leichte Gereiztheit anzumerken. Er war es
gewohnt, dass alles rasch gehen musste. Nicht nur zügig, nein, rasch. Schnell.
Verzögerungen stufte er wie Zugverspätungen oder Delays im Flugplan ein. Als
Defizite. Es gab immer jemanden, der solche Mängel verschuldet. Ein System oder
einen Menschen, der hinter dem System steckt. Verzögerungen, Behinderungen,
Fehler forderten seine Ungeduld heraus. Defizite machten ihn nervös und
gereizt. Und wenn Gubkin gereizt war, wurde er unberechenbar.
    Das hatten seine Gegner spüren müssen, damals, als die alte
Sowjetunion fiel. Er hatte sich sofort auf die neue Seite geschlagen. Hatte
nicht lange gefackelt. So war er reich geworden.
    Nicht nur aus einer Laune heraus und auch, weil Nadjuscha es sich so
sehr wünschte, hatte er über die Rosenheimer Maklerin Anna Eh das
Grattenschlösschen mit riesigem Grundbesitz gekauft – mit Weiden, Wäldern,
Fischbächen. Hier war es ruhig, nicht hektisch. Hier war es warm und schön.
Nadeschda und Felix Gubkin mochten das Land, und sie mochten die Menschen. Diese
Menschen hier waren stark, zuverlässig, musikalisch, und sie hatten gutes Essen
und Schnaps für die Seele. Nur – langsam waren sie.
    Gubkin war es ebenso gewohnt, Wünsche schnell zu verwirklichen. Wenn
er ein Grundstück haben wollte, befahl er einfach Kosmos, seinem Leutnant: »Geh
und kauf ein Grundstück. Du weißt schon.«
    Hier in Bayern fielen erst einmal Begriffe, die er nie zuvor gehört
hatte: Vermessungsamt,
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