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Rosenmörder (German Edition)

Rosenmörder (German Edition)

Titel: Rosenmörder (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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später wieder eingefallen. Zunächst fehlt mir jegliche
Erinnerung daran. Dabei hatte alles so harmlos angefangen. Es ging um einen
Parkplatz.

EINS
    Kriminalrat Josef »Joe« Ottakring hatte eine neue
Liebhaberei für sich entdeckt: das Bügeln.
    Dafür hatte er sich ein eigenes Bügelzimmer eingerichtet. Ein
Bügelbrett, ein Dampfbügeleisen, die weiße Wand, ein mannsgroßer Spiegel und
ein offenes Fenster nach Südost – das war’s. Für ihn die beste Art der
Entspannung, hatte er herausgefunden. Er konnte sich mit Herrn Huber
unterhalten, seinem Hund, der sich immer in Hörweite aufhielt. Das Tier besaß
alle Merkmale eines Berner Sennenhunds, nur war er kurzhaarig. Weiße Maske,
weiße Schuhe, weiße Schwanzspitze. Oder Ottakring legte ein Oboen- oder ein Cellokonzert
in den CD -Spieler. Jeden Tag, egal zu welcher
Zeit, bügelte er ein Hemd oder zwei, ein T-Shirt oder auch schon mal ein Top
oder eine Bluse für Lola. Die Straße, an der gewöhnlich sein Porsche parkte,
konnte er vom Bügelzimmer aus nicht einsehen.
    Am Morgen des 20. September
2009, einem
Sonntag, bügelte er schon sehr früh. Draußen bogen sich im Garten zwei hohe
Thujen und eine Zypresse im sanften Wind, nach Osten hin war körniges
Morgenlicht. Ottakring dachte über sein Leben nach, das vergangene und das
künftige. Ab und zu bohrte seine Zungenspitze Reste seines Morgenmüslis aus den
Zähnen. Gedankenlos spuckte er sie auf den Boden. Sachte zischend fuhr das
Eisen über die Manschette des blauen Baumwollhemds.
    Er hatte schlecht geschlafen, immer am Rand des Wachseins entlang.
Nach einem verrutschten Kuss auf Lolas Mund war er schließlich aufgestanden.
    Ein schrecklich schrilles Geräusch scheuchte Ottakring vom
Bügelbrett. Metall schlug gegen Metall und machte ein langsames, grässlich
kreischendes Geräusch. Wie eine Kreissäge kurz vor dem Verenden.
    Das war’s, was Ottakring hörte.
    Herr Huber lag auf seinem Hundebett, ein Ohr heruntergeklappt, das
andere gespitzt. Mit dem Kreischen stellte er beide Ohren auf und klopfte mit
der Schwanzspitze ein paarmal auf den Boden. Als sein Herr aus dem Haus
spurtete, sprang er auf und folgte ihm wedelnd. Ottakring schob zwei Thujen zur
Seite und spähte durch den Zaun. Nichts. Er schloss die brusthohe Gartentür auf
und trat auf die schmale Straße hinaus. Ein trüber Tag begann, untypisch für
den Chiemgau in dieser Jahreszeit. Das Wetter war unentschlossen.
    Von dem Jungen sah Ottakring nur mehr die Hacken. Der Bub hatte ein
signalgrünes Sweatshirt mit einer Aufschrift am Rücken an und hinkte beim
Laufen. In der linken Hand schwenkte er etwas Langes, Blinkendes. Der Junge
verschwand nach links und tauchte in eine Nebenstraße ein.
    Ottakring prägte sich das Bild ein.
    Herr Huber hatte den Porsche umrundet und schnüffelte am linken
Hinterreifen. Ottakrings Autospielzeug stand auf dem reservierten Parkplatz vor
dem Zaun aus Maschendraht, der das Grundstück umgab. Er wusste gleich, dass das
widerliche Geräusch von vorhin etwas mit seinem Wagen zu tun hatte. Fast hätte
er laut aufgeschrien, als er den zentimeterbreiten Streifen im gepflegten
orangefarbenen Lack sah. Der Riesenkratzer begann kurz hinter dem linken
Frontscheinwerfer, lief unterhalb des Fensters quer durch die Seitentür und
endete kurz vor den Rückleuchten. Er sah aus wie eine tiefe Fleischwunde.
Ottakring fühlte sich, als wäre Herr Huber vor einen Lkw gelaufen. Als hätte
Lola sich einen Finger abgeschnitten.
    Sollte der Junge …?
    In dieser Minute konnte er unmöglich absehen, welche Dimensionen die
ekelhafte Schleifspur im orangefarbenen Lack des Porsche annehmen sollte.
    Alles war ruhig in Aschbach, dem Zweitausend-Seelen-Ort nahe der
österreichischen Grenze. Sonntagsruhe. Ein grauer Tag in einer farbigen
Jahreszeit. Nur schwach war die Silhouette der Kampenwand im Südosten
erkennbar. Das platt getretene Gras am Straßenrand war stumpf und brüchig. Man
hätte nicht glauben wollen, es könne sich jemals wieder mit einem dichten
Muster von blauen und gelben Krokusblüten überziehen.
    Ottakring blickte nach rechts. Er schaute hinüber zum Russenhaus.
Lola und er hatten das schräg gegenüberliegende Zweifamilienhaus so getauft,
weil dort vor Kurzem russische Bewohner eingezogen waren. Ein Mann mit einem
Jungen, vielleicht zehn Jahre alt, und ein offenbar alleinstehender Mann. Keine
Frauen. Die beiden Wohnungen lagen übereinander.
    Mit dem Single hatte er sich angelegt. Ein Landrover hatte, als er
am
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