Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosenmörder (German Edition)

Rosenmörder (German Edition)

Titel: Rosenmörder (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
Vom Netzwerk:
seines Sekundenschlafs ereignet haben.
    »Soll ich mich hinter den Busch setzen und Wache schieben, Herr
Ellmaier?«, fragte Ottakring den Leiter der Polizeiinspektion. »Außerdem hab
ich immer noch keinen Zeugen, ums gerichtsmäßig zu machen. Tut ihr doch mal
endlich was gegen diesen Terror. Ich kann erst tätig werden, wenn die jemanden
umbringen.«
    »Was sollen wir machen? So ist unser Rechtssystem halt«, sagte der Polizist.
»Und Sie müssen selber aufpassen, Herr Ottakring. Die glauben bestimmt, dass
Sie es waren, der uns alarmiert hat. Deshalb sind die Reifen geschlitzt.«
    Aber das wusste Ottakring ja selbst.
    Am Dienstag früh parkte der russische Landrover wieder vor dem Haus.
Eine tote Katze lag auf Ottakrings Rasen neben den Obstbäumen. Die Augen waren
starr ins Gras gerichtet, als ob sie dort eine Maus vermutete. Eine rot-weiß
gemusterte Schnur war um ihren Hals geschlungen. Niedliche rote Zunge zwischen
gefletschten Zähnen.
    Nun war das Maß voll. Er ging hinüber. Die P7 steckte routinemäßig im Halfter am Gürtel.
Kein Name am Klingelschild. Nur zwei Knöpfe. Er drückte aufs Geratewohl den
unteren. Ein kleiner Junge öffnete. Er trug einen grünen Pulli.
    »Ich möchte deinen Vater sprechen«, sagte er langsam und so höflich
er konnte.
    »Vater. Ja«, sagte der Junge. Sein grüner Pulli stank nach kaltem
Zigarettenrauch.
    Der Bub, der vor ihm weggerannt war! Ottakring machte einen Schritt
nach vorn und streckte den Arm nach dem Jungen aus. Wollte ihn fragen, ob er
das mit dem Porsche gewesen war.
    Vor Ottakrings Nase schlug die Wohnungstür zu.
    Der Junge hatte ein Bein nachgezogen. Aha, dachte Ottakring. Doch er
sah ein, dass er so nicht weiterkam.
    Der Hausflur war verqualmt wie ein Dorfwirtshaus vor dem
Rauchverbot. Ottakring setzte einen Fuß auf die Treppe zum ersten Stock.
    »Hallooo!«, brüllte er. »Ich möchte den sprechen, der die tote Katze
in meinen Garten geschmissen hat.« Er erschrak vor der Gewalt seiner eigenen
Stimme. »Und die herrliche Technik im Garten installiert hat.«
    Nichts rührte sich. »Und meine Reifen aufgeschlitzt hat.«
    »Hallooo!«, brüllte er noch einmal. Unwillkürlich hatte sich seine
Hand über den Griff der Dienstpistole am Gürtelholster gelegt. Die Heckler
Koch P7,
geladen und gesichert, ein Kilogramm schwer, acht Neun-Millimeter-Patronen,
Halbautomatik. Ottakring hatte unbewusst die Hand um die Fingermulden am
Griffrahmen gelegt. Er zuckte zurück, als er es merkte.
    In diesem Augenblick wurde eine Tür aufgerissen.
    »Ja!«, zischte der im blauen Trainingsanzug aus der unteren Wohnung.
»Was wollen Sie?«
    Und – ohne dass Ottakring auch nur eine einzige Bewegung
registriert hätte, stand auch der Herr aus der oberen Etage zwei Stufen über
ihm. Er hatte einen glänzenden Anzug an, kaute auf der Unterlippe herum und zog
lange an seiner Zigarette. Dabei sah er Ottakring durchdringend an.
    Ottakring sah sich einem Kreuzfeuer aus bösen Blicken ausgesetzt.
Und er hatte das dumme Gefühl, in einer Falle zu stecken. Denn wie ferngesteuert
schlug die Haustür zu. Er war eingeschlossen. Ottakring war sich bewusst, dass
er zwar bewaffnet, aber hilflos war. Seine Nerven waren gespannt wie
Drahtseile. Er wusste sich nicht anders zu helfen als zu lachen. Er lachte. Ein
fremder, harscher Laut in der geisterhaften Stille dieses Hauses. Ein Geräusch,
das da nicht hingehörte.

ZWEI
    Felix Iljitsch Gubkin stand am offenen Fenster und blickte
über die Landschaft. Wenn man allein ist, dachte er, merkt man oft, dass das,
was man für Stille gehalten hat, in Wirklichkeit ein Dschungel aus leisen
Geräuschen ist. Abgeschwächt, kaum hörbar, fremdartig. Das leise Knarren einer
Tür oder eines Fensters. Das Flüstern des Windes in den Wipfeln. Andere
Baumgeräusche, die man mit Worten nicht beschreiben kann. Rinde, die an Rinde
reibt. Die Laute der Tiere, die in den Bäumen leben. Das unaufhörliche
Plätschern des nahen Baches. Der leichte Wind trägt Geräusche, wenn man aus dem
Fenster der zweiten Etage eines Schlösschens blickt, über sehr weite
Entfernungen.
    Deutlich konnte Gubkin das Ticken der Standuhr hinter sich hören. Es
war ein später Nachmittag, wie er ihn mochte. Fernab der Hektik, des
Zeitraffens, der Gefahr. Fernab der Anspannung, derer er Herr werden musste,
seit er denken konnte. Vor ihm das fichtenbewachsene Tal der Prien, das sich
bis nach Aschbach hinunter schlängelte, begleitet vom grauen Band eines
schmalen Sträßchens. Weit unten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher