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Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Titel: Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken
Autoren: Deborah Ellis
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stand im Mittelpunkt. Casey hatte mich im Stich gelassen.
    Ich war jetzt ganz allein.
    Und das gefiel mir überhaupt nicht.
    Wir sind in der siebten Klasse und verbringen den Nachmittag in Ten Willows. Es ist ein warmer Samstag im September. Im Camp sind jetzt keine Gruppen mehr und wir haben das Gelände ganz für uns allein.
    Casey beobachtet eine Spinne, die einer Fliege das Blut aussaugt. Sie ist ganz versunken.
    Nach einer Weile sagt sie: »Ich werde mich spezialisieren müssen. Es gibt so unglaubliche viele Insekten – über drei Millionen verschiedene Arten sind schon entdeckt. Mit allen kann ich mich auf gar keinen Fall näher beschäftigen! Vielleicht sollte ich mich ja auf Spinnen beschränken. Hm, oder lieber doch nicht. Auf Schmetterlinge sicher auch nicht. Käfer? Käfer find ich gut. Sehr gut sogar. Also vielleicht Käfer. Aber was für welche? Da gibt’s auch schon wieder so viele verschiedene.«
    Ich langweile mich. »Komm, wir machen was«, sage ich.
    Â»Ich mach doch schon was«, antwortet sie. »Guck mal, jetzt kannst du bei der Spinne sogar die Beißwerkzeuge sehen! Ich glaube, was sie da frisst, ist eine Blumenfliege.«
    Ich nehme einen Stock und mache damit das Spinnennetz kaputt. Dann schmeiße ich alles weg.
    Â»Sie war noch gar nicht fertig mit ihrer Mahlzeit«, sagt Casey.
    Â»Los, ich will jetzt was machen!«
    Â»Du musst dir ein Hobby suchen«, meint Casey. Sie geht weg und hält Ausschau nach anderem Getier.
    Sie redet schon wie meine Mutter. Ich bin so sauer, dass ich mich verdrücke. Ich renne los. Ich renne und renne, durchs gesamte Campgelände, nur um wegzulaufen. Als ich wieder zum Ausgangspunkt zurückkomme, ist Casey nicht mehr da.
    Ich nehme an, dass sie losgegangen ist, um mich zu suchen, und freue mich innerlich, dass ich sie von ihren Insekten weglocken konnte. Keuchend setze ich mich erst mal hin und gehe dann los, um sie zu finden.
    Das dauert eine Weile.
    Ich entdecke sie irgendwann kniend auf dem Bohlenweg, der durch den Sumpf führt. Sie beobachtet Taumelkäfer und Wasserläufer. Vorsichtig stupst sie die Wasserläufer mit einem dünnen Schilfrohr an und sieht zu, wie sie über die Wasseroberfläche flitzen.
    Als sie meine Schritte auf den Bohlen hört, schaut sie auf.
    Â»Ist das nicht irre?«, fragt sie. »All diese unterschiedlichen Lebensformen auf so kleinem Raum – Insekten und Spinnen, Vögel und Pflanzen. Vielleicht ist es das ja. Vielleicht spezialisiere ich mich auf Wasserinsekten.«
    Â»Ich bin gelaufen«, erzähle ich ihr. »Durchs ganze Camp.«
    Â»Das ist es«, sagt sie. »Du solltest Geländeläuferin werden.«

Kapitel 4
    Der Tag nach Caseys Verhaftung war Labor Day , der Feiertag am ersten Montag im September. Ich wollte eigentlich ausschlafen. Nicht nur weil es der letzte Tag der Sommerferien war, sondern weil ich zu einer völlig blödsinnigen Zeit Rad gefahren war. Aber die Polizei musste ja schon vor acht bei uns klingeln.
    Wir wohnten in einem dieser kleinen, kompakten Häuser im Ranch-Stil. Casey auch. Mein Fenster lag direkt neben der Eingangstür, sodass ich hören konnte, wie Mom aufmachte.
    Â»Ich würde gern mit Ihrer Tochter Jessica sprechen«, sagte eine Frauenstimme. »Ist sie da?«
    Die Stimme kannte ich. Sie gehörte Detective Ann Bowen, der leitenden Ermittlerin bei Stephanies letztem Verschwinden.
    Â»Was wollen Sie denn von Jude?«, fragte sich meine Mutter ungehalten. »Sie sollten lieber nach dem Mörder der Kleinen suchen, denn das Mädchen, das sie da verhaftet haben, war es auf gar keinen Fall!«
    Dann hörte ich die ruhige und ausdruckslose Stimme meines Vaters.
    Â»Kommen Sie doch bitte rein«, sagte er. »Ich hole Jess.«
    Als Dad an meine Tür klopfte, sprang ich auf und rief, dass ich gleich komme. Ich schoss in meine Klamotten und raste ins Bad, um mir kurz das Gesicht zu waschen und mich zu sammeln. Als ich aus dem Bad kam, hörte ich, wie sich Mom in der Küche mit der Polizistin unterhielt.
    Â»Ihr Vater hat sie Jessica genannt, wegen Jessica Lang – seit Tootsie ist er ein großer Fan von ihr. Und ich habe Jude ausgesucht, nach dem Beatles-Song.« Als ich in die Küche kam, schenkte Mom gerade Kaffee ein. »Hier ist sie ja schon, meine Jude. Sie wird Ihnen bestimmt weiterhelfen, so gut sie kann. Casey White ist schließlich ihre beste
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