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Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Titel: Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken
Autoren: Deborah Ellis
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an zu kreischen, wie Mädchen das eben so machen. Sie rennen durcheinander, die Jungs auch, und schon sind alle wieder auf dem ganzen Schulhof verteilt.
    Ich renne nicht mit. Ich beobachte nur.
    Ms Thackeray hat große Mühe, alle Kinder wieder zusammenzutrommeln.
    Â»Dieses Ding da bleibt hier auf dem Schulhof«, schnauzt sie Casey an.
    Â»Das ist eine Gottesanbeterin«, sagt Casey. »Ich hab sie im Gebüsch gefunden.«
    Â»Dann bring sie mal schleunigst dorthin zurück.«
    Â»Wenn ich sie mir fertig angeschaut habe.«
    Casey fragt nicht – sie teilt mit. Ich habe noch nie ein Kind erlebt, das so mit Erwachsenen redet. Nicht um Erlaubnis fragt, nicht quengelt. Sondern mitteilt. Als ob ihre eigenen Ideen genauso wichtig sind wie die der Lehrerin.
    Casey geht einfach an Ms Thackeray vorbei ins Schulhaus. Sie schafft es ins Klassenzimmer, ehe Ms Thackeray sie einholen kann. Die Lehrerin packt sie am Arm, die Gottesanbeterin entwischt und fliegt durchs Zimmer. Alle Kinder schreien und rennen umher.
    Letztendlich landet das Tier auf dem Tisch von Nathan Ivory. Nathan erschlägt es mit einem Buch. Casey verpasst ihm daraufhin einen solchen Schubs, dass er vom Stuhl fällt und sich an einem Bücherregal die Nase blutig stößt. Casey versucht, die Überreste des Insekts einzusammeln. Ms Thackeray zerrt sie aber weg und bringt sie zur Schulleitung.
    Seitdem heißt Casey bei den anderen Kindern Gottesanbeterin.
    Casey findet das toll.
    Und wir werden Freundinnen. Sie kann mich leiden, weil ich nicht gleich hysterisch loskreische, wenn ich mal ein Krabbeltierchen sehe. Ich finde Insekten zwar nicht ganz so super wie Casey, aber ich wüsste auch nicht, wieso ich wegen ihnen so ein Riesentheater veranstalten sollte. Casey ist es egal, dass sonst keiner mit mir befreundet sein will. Und ich freue mich, dass sie mich leiden kann.

Kapitel 3
    Wir waren kaum zur Tür rein, da hing Mom auch schon am Telefon.
    Â»Sie werden dieses Mädchen umgehend freilassen! Was bilden Sie sich eigentlich ein, sie so vor aller Augen einfach zu verhaften? Haben Sie mal einen Moment an ihre armen Eltern gedacht? Ja, leid tut es mir vor allem für Ihr Dezernat, denn Sie werden eine derartige Klage an den Hals bekommen …«
    Der Beamte am anderen Ende der Leitung ließ meine Mutter einfach wettern, was ziemlich klug von ihm war, denn Mom neigt zu cholerischen Ausbrüchen, selbst wenn sie nicht krank ist. Sobald sie wütend wird, muss sie den ersten Adrenalinschub erst mal loswerden. Erst dann kann sie halbwegs sachlich diskutieren. Es sei denn, sie ist krank. Wenn sie krank ist, kann sie sich überhaupt nicht wieder beruhigen. Ich lauschte, ob ihre Stimme verdächtig schrill klang, aber zum Glück Fehlanzeige. Sie war schlichtweg wütend.
    Und das blieb sie auch. Aus ihren kurzen Redepausen schloss ich, dass der Polizist hier und da ein paar Worte einstreuen konnte, aber als Mom schließlich auflegte, schäumte sie immer noch vor Empörung.
    Â»Und ich habe nichts dagegen unternommen«, jammerte sie in meine Richtung, aber eigentlich mehr zu sich selbst. »Ich habe nicht mal versucht, sie davon abzuhalten!«
    Â»Ging ja auch alles rasend schnell«, meinte mein Vater und knotete dabei seinen Schlips auf. Die Stimme meines Vaters war völlig ausdruckslos, wahrscheinlich um das Temperament meiner Mutter auszugleichen. »Wir hatten doch gar keine Zeit, irgendwie zu reagieren. Und was hätten wir schon tun können – sie der Polizei entreißen? Die werden doch ganz schnell merken, dass sie einen Fehler gemacht haben, und sie freilassen.«
    Aber Mom hatte sich noch nicht wieder abgeregt, sodass Dads Bemerkungen komplett ins Leere liefen. Ich ging hoch in mein Zimmer und machte die Tür hinter mir zu. Ich hatte genug mit meinen eigenen Gefühlen zu tun und war mit denen meiner Mutter gerade ziemlich überfordert.
    Ich hängte das Kirchenkleid auf einen Bügel und ließ mich auf mein ungemachtes Bett fallen. Das Camp war vorbei. Kein Grund also, wie jeden Morgen in den letzten acht Wochen meine Koje für die Hüttenkontrolle aufzuräumen. Und ich brauchte auch keine widerspenstigen Camp-Teilnehmer mehr dazu zu bewegen.
    Meine normalen Klamotten mussten allesamt in die Wäsche. Ich hatte kein einziges sauberes Teil mehr. Das Camp war zwar schon seit drei Tagen vorbei, aber meinem gigantischen Wäschesack hatte ich mich noch nicht wieder
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