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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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die sanfte Schwellung
ihres Busens über dem Rand des schwarzen Tops gut zur Geltung brachte. Ich
musterte Chili mit Stolz und Wohlgefallen, und dabei begegnete mir der Blick
ihrer dunklen Mandelaugen. Einen Moment zu lange zögerte ich, bevor ich ihre
ausgestreckte Hand zum Gruß ergriff.
    Es war kurz vor acht Uhr abends, die Eichen warfen lange Schatten.
Ein aggressives Knirschen im Kies des Parkplatzes riss uns aus der gerade
beginnenden Verlegenheit. Mit Blaulicht stürmte der grün-weiße BMW der Priener Kollegen aufs Areal. Mit einem
weiteren BMW , zivil dunkelblau, traf Chilis Chef
ein und kurz darauf in einem schwarzen Audi Sebastian Scholl vom K1,
Tötungsdelikte. Die Staatsanwältin vom Rosenheimer Amtsgericht würde auch bald
anrauschen, und ich nahm an, dass der Jourdienst in der KPI die Rechtsmedizin in München benachrichtigt hatte. Dort kannte ich jeden.
Hierher in die Provinz würden sie den Jüngsten schicken, den mit der
intelligenten Rundbrille. Der würde nach Kontusionsringen, den Quetschungen um
die Einschusswunde, suchen. Er würde den Schusskanal feststellen, nach
Druckstellen an den Leichen forschen, nach Blutunterlaufungen, Kratzern,
Schmutz. Er würde an den Opfern deren eigene und mögliche fremde DNA -Proben sichern und den ungefähren Todeszeitpunkt
bestimmen, dem K1-Chef
und der Staatsanwältin gegenüber eine erste Einschätzung abgeben. Die lokale
Feuerwehr würde für Beleuchtung sorgen, die Bestatter schließlich die Leichen
nach München in die Frauenlobstraße schaffen, wo vermutlich noch heute Nacht
die Obduktion stattfinden würde.
    Die Gedankenkette spulte sich in meinem Kopf ab, ohne dass ich etwas
dagegen tun konnte. Zu oft hatte ich das Ritual in all den Jahren selbst
durchexerziert. Neun Jahre Chef der Münchener Mordkommission, davor
zweiundzwanzig lange Jahre Ermittler – das prägt.
    Ich schüttelte mich innerlich, versuchte die Gedanken abzustreifen,
blickte auf den See hinaus, hinüber zur Kampenwand. Deren Flanken wurden vom
Abendlicht in ein von dunklem Lila überhauchtes Schwarz getaucht. Wieder musste
ich an die SIG Sauer in der Hand des Toten denken.
Ich wusste, dass die Bundespolizei in den USA ,
das FBI , damit ausgerüstet war. Auch in der
Schweiz war sie verbreitet, und in Jerry-Cotton-Romanen spielte sie eine Rolle.
Bei uns war sie so selten wie der Biss eines Skorpions am Chiemseestrand.
    Da war noch etwas in meinem Hinterkopf. Ein Detail von Bedeutung.
Aber jetzt spielten plötzlich meine grauen Zellen nicht mehr richtig mit. Die
Hitze! Temperaturen über dem Gefrierpunkt verbunden mit einer Luftfeuchtigkeit
nahe der Regengrenze waren für mich unmenschlich. Die Arktis wäre vermutlich
eher mein Revier gewesen.
    Ich ließ die Kollegen ihre Arbeit machen und stellte mich zu
Liebermann an die Bar im Inneren des Lokals. Weiter drüben nippte eine große
Blonde an ihrem Pils. Schweigend sah ich mich um.
    Gemälde von Künstlern der Region hingen an weiß gekalkten Wänden, an
der Decke Holzvertäfelung mit sparsam bemalten Kassetten. Mein schwarzer
Hundefreund und eine Katze streunten zwischen den Tischen umher. Die Gäste
saßen da, tranken ihr Bier, wischten sich mit schweißnassen Taschentüchern die
Stirn trocken. Gedämpftes Gemurmel lastete im Raum wie zuvor die Schwüle des
Nachmittags.
    Das Geschehen draußen schien bereits in die Gehirne der Menschen
vorgedrungen zu sein. Sie wollten sich ablenken. Mit einem Mal raffte einer der
vier Männer an einem Tisch in der Ecke die verstreut liegenden Spielkarten
zusammen, formte sie zum Stapel und stieß ihn auf der Ahornplatte des Tisches
glatt.
    »Wer gibt jetzt?«, fragte er in die scharfen, kurzen Knaller hinein.
    »Immer der, der fragt«, war die Antwort des bärtigen Basses ihm
gegenüber.
    Der Schafkopf nahm seinen Fortgang. Das war das Signal gewesen. In
der ganzen Wirtsstube hob wieder Stimmengewirr an. Zögerlich mischte sich
Lachen in den Lärm. Mit gleichzeitig einsetzendem Geschirrgeklapper wehte auch
der Duft von gekochtem Fisch und gebratenem Schnitzel aus der Küche herüber.
    »Wie lang wird das wohl dauern?«, fragte mich Liebermann.
    Ich war so benommen von der herrschenden Stimmung, dass ich eine
Weile brauchte, bis ich antwortete.
    »Bis wir vernommen werden? Wenn wir halt dran sind.«
    Doch dann fiel mir etwas ein.
    »Heut ist doch Sonntag? Mann, da hab ich noch was vor. Um zwanzig
nach elf kommt ›Herrenhaus‹ im Fernsehen.«
    Ich sah Liebermann an, dass er keine Ahnung hatte, wovon
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