Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosehill 01 - Die Tochter des Lords

Rosehill 01 - Die Tochter des Lords

Titel: Rosehill 01 - Die Tochter des Lords
Autoren: Julie Garwood
Vom Netzwerk:
die das einstöckige Gebäude an drei Seiten umgab, und abends hörten sie die Musik der Nacht. Da sie ihren ältesten Bruder nirgends entdeckte, rief sie: »Ich wette, Adam sitzt wieder über seinen Büchern.«
    »Warum glaubst du das?«
    »An einem so schönen Tag würde er draußen arbeiten, wenn er seine Buchhaltung nicht erledigen müsste. Oh, ich kann’s kaum erwarten, ihn zu begrüßen. Beeil dich, Cole!«
    Alle ihre Brüder hatten sie vermisst, und jedem brachte sie Geschenke mit – einen Karton voller Bücher für Adam, Zeichenpapier und neue Federn für Cole, der Pläne für einen Anbau entwerfen wollte, Medizin und Striegel für Douglas’ Pferde, ein neues Tagebuch für Travis, der die Familienchronik niederschrieb, außerdem mehrere Kataloge und Saat für den Garten. Die würde sie unter Adams Anleitung hinter dem Haus verstreuen. Und dann sollten sie alle auch noch Schokolade und Flanellhemden bekommen.
    Das Wiedersehen war so schön, wie sie sich’s ausgemalt hatte. Bis spät in die Nacht saß die Familie beisammen, denn es gab viel zu erzählen. Den Anwalt, der Mary Rose in der Schule besucht hatte, erwähnte Cole erst, nachdem sie zu Bett gegangen war. Er wollte sie nicht beunruhigen. Um so größere Sorgen machte er sich selber. Ebenso wenig wie die anderen glaubte er an Zufälle, und so erörterten sie alle möglichen Gründe, die den Anwalt veranlassen mochten, Informationen über die Clayborne-Familie zu sammeln.
    Als Jungen hatten Cole und Douglas einiges angestellt. Doch das alles lag schon sehr lange zurück, und die Gangster, die sie bestohlen hatten, lebten in weiter Ferne – wenn sie überhaupt noch auf Erden weilten. Deshalb dachten sie, man hätte ihre Missetaten längst vergessen. Es war Adam, dem eine ernste Gefahr drohte. Hatten die Söhne seines einstigen Sklavenmeisters diesen Anwalt beauftragt, den Flüchtling aufzuspüren?
    Einen Mord vergaß man niemals, das wussten sie alle. Um zwei Menschenleben zu retten, hatte Adam ein anderes zerstört. Es war reiner Zufall gewesen, aber für die Umstände würden sich die Söhne nicht interessieren. Ein Sklave hatte ihren Vater getötet. Und sie würden weder ruhen noch rasten, bis der Mord gerächt war.
    Einige Sekunden lang diskutierten sie im Flüsterton, dann erklärte Adam, es sei albern, sich jetzt schon aufzuregen. Man müsse erst einmal abwarten. »Und wenn wir tatsächlich bedroht werden?«, fragte Cole.
    »Dann tun wir alles, um einander zu schützen.«
    »Niemandem werden wir gestatten, dich aufzuhängen, Adam«, beteuerte Travis. »Damals hast du nur getan, was du tun musstest.«
    »Jedenfalls müssen wir uns in Acht nehmen«, betonte Adam.
    Ein Monat verstrich in friedlicher Einsamkeit, und sie glaubten schon, der Anwalt würde niemals auftauchen.
     
    12. November 1980
    Liebe Mama Rose, dein Sohn bat gesagt, ich soll dir zeigen, wie gut ich schreiben kann. Deshalb bekommst du diesen Brief. Wenn Mary Rose schläft, üben wir alle Grammatik und Rechtschreibung. Dein Sohn ist ein guter Lehrer Er lacht nicht, wenn wir Fehler machen, und wenn wir uns mächtig anstrengen, hilft er uns. Ich glaube, jetzt gehöre ich zu dir, weil wir doch alle Brüder sind.
    Dein Sohn Cole

2
    Ohne eine einzige Frage zu stellen, erfuhr Harrison Stanford MacDonald alles über die Familie. Er hatte viel über die gesetzlosen Städte im Wilden Westen gehört und gelesen. Und so wusste er, dass dort Fremde in zwei Gruppen eingeteilt wurden – die Männer, die man ignorierte und in Ruhe ließ, weil sie sich um ihren eigenen Kram kümmerten und beängstigend wirkten, und die anderen, die umgebracht wurden, weil sie zu viel fragten.
    Der Ehrenkodex des Westens verblüffte Harrison. Die Siedler hielten zusammen, wenn es galt, ihresgleichen gegen Außenseiter zu verteidigen. Aber es störte sie nicht, wenn jemand seinen Nachbarn tötete – vorausgesetzt, es gab gute Gründe dafür.
    Auf der Reise nach Blue Belle beschloss Harrison, die Vorurteile gegen Fremde zu nutzen. Um zehn Uhr morgens kam er an und verwandelte sich in den gemeinsten Hurensohn, der diese Stadt jemals heimgesucht hatte.
    Er zog den neuen schwarzen Hut tief in die Stirn, klappte den Kragen des langen braunen Staubmantels hoch und schlenderte die breite Sandstraße, die hier Main Street genannt wurde, so arrogant entlang, als würden ihm alle Häuser zu beiden Seiten gehören. Seine Miene erweckte den Eindruck, er würde jeden umbringen, der ihm in den Weg trat. Genau das beabsichtigte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher