Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ronja Räubertochter

Ronja Räubertochter

Titel: Ronja Räubertochter
Autoren: Astrid Lindgren
Vom Netzwerk:
werden! Aber in die Mattisburg konnte sie nicht zurück, nicht, solange sie nicht mehr Mattis' Kind war. Das Feuer dort würde sie nie wieder wärmen, das wußte sie. Ja, dann war es eben so! Dann sollte daraus werden, was wollte.
    Was half alles Gegrübel, wenn es doch keinen, aber auch gar keinen Ausweg gab! Sie sah, daß der Kübel leer war. Also mußte sie zur Quelle, Wasser holen.
    »Ich komme, sobald ich das Feuer in Gang habe«, rief Birk ihr nach. Es war schwer, das Wasser nach Hause zu schleppen, das konnte nicht einer allein.
    Ronja ging den schmalen Pfad am Berghang entlang, dort mußte man vorsichtig sein und sich hüten, nicht kopfüber abzustürzen. Dann lief sie das kurze Stück durch den Wald zwischen Birken und Fichten bis zur Waldwiese, wo die Quelle war. Aber noch ehe sie da war, blieb sie plötzlich stehen. Neben der Quelle saß jemand auf einem Stein! Mattis saß dort er und kein anderer! Diesen schwarzen Krauskopf kannte sie, und ihr Herz zitterte. Und dann begann sie zu weinen. Sie stand dort unter den Birken und weinte still vor sich hin. Da sah sie, daß auch Mattis weinte. Ja, wie damals in ihrem Traum, genauso verlassen saß er jetzt im Wald und grämte sich und weinte. Noch hatte er sie nicht bemerkt, doch dann hob er den Kopf und sah sie. Und da hielt er die Arme vor die Augen und verbarg seine Tränen so hilflos und verzweifelt, daß sie es nicht mit ansehen konnte. Mit einem Aufschrei stürzte sie zu ihm und warf sich ihm in die Arme,
    »Mein Kind«, flüsterte Mattis. »Mein Kind!«
    Dann rief er mit lauter Stimme:
    »Ich habe mein Kind wieder!«
    Ronja weinte in seinen Bart und fragte schluchzend:
    »Bin ich jetzt wieder dein Kind, Mattis? Bin ich jetzt wirklich wieder dein Kind?«
    Und Mattis weinte und antwortete:
    »Ja, wie du es immer gewesen bist, Ronjakind! Meine Tochter, um die ich Tage und Nächte geweint habe. Mein Gott, wie habe ich gelitten!«
    Er hielt sie ein Stück von sich ab, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte, und fragte demütig:
    »Ist es wahr, was Lovis sagt daß du heimkommst, wenn ich dich darum bitte?«
    Ronja schwieg. In diesem Augenblick sah sie Birk. Zwischen den Birken stand er, weiß im Gesicht und die Augen voll Trauer. So unglücklich durfte er nicht sein - Birk, mein Bruder, woran denkst du, wenn du so aussiehst?
    »Ist es wahr, Ronja, kommst du mit mir nach Hause?« fragte Mattis wieder.
    Ronja schwieg immer noch und sah Birk an - Birk, mein Bruder, erinnerst du dich an den Glupafall? »Komm, Ronja, jetzt gehen wir«, sagte Mattis. Und Birk, der da stand, wußte, daß die Zeit gekommen war. Die Zeit, Ronja Lebewohl zu sagen und sie Mattis zurückzugeben. So mußte es kommen, er hatte es ja selber gewünscht. Und hatte es schon lange gewußt. Warum tat es dann doch so weh?
    Ronja, du weißt nicht, wie weh es tut, aber geh! Geh schnell! Geh gleich !
    »Aber noch habe ich dich ja nicht darum gebeten«, sagte Mattis. »Jetzt tu ich es.
    Ich bitte dich inständig, Ronja, komm wieder nach Hause zu mir!«
    Schwerer hab ich es nie in meinem Leben gehabt, dachte Ronja. Jetzt mußte sie das sagen, was Mattis zerbrechen würde, das wußte sie, und doch mußte sie es sagen. Daß sie bei Birk bleiben wollte. Daß sie ihn nicht allein lassen konnte, ausgeliefert dem Kältetod im Winterwald - Birk, mein Bruder, im Leben und im Tod kann nichts uns trennen, weißt du das nicht?
    Da erst entdeckte Mattis Birk, und er seufzte schwer. Aber dann rief er:
    »Birk Borkasohn, komm her! Ich will ein Wort mit dir reden!« Birk näherte sich widerstrebend und nicht mehr, als nötig war. Trotzig sah er Mattis an und fragte:
    »Was willst du?« »Am liebsten dir eine Tracht Prügel verpassen«, antwortete Mattis. »Aber das tu ich nicht. Statt dessen bitte ich dich inständig: Komm mit in die Mattisburg! Nicht, weil ich dich so gern hab, glaub das ja nicht! Aber mein Töchterchen mag dich, das hab ich nun begriffen, und vielleicht kann ich es ja auch lernen. Ich hab in all den vielen Wochen Zeit genug gehabt, über dies und das nachzudenken!« Als Ronja begriff, was Mattis da gesagt hatte, begann etwas in ihr zu gluckern. Sie spürte, wie sich etwas in ihr löste. Dieser schreckliche Eisklumpen, den sie die ganze Zeit in sich getragen hatte, wie konnte ihr Vater ihn nur mit ein paar Worten wie ein Frühlingsbach zum Schmelzen bringen? Wie konnte mit einemmal das Undenkbare geschehen, daß sie nicht mehr zwischen Birk und Mattis zu wählen hatte? Zwischen den beiden, die sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher