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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)
Autoren: David Kirk
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überrannt», sagte der mittlere Scharfrichter. «Er wäre großes Glück, wenn er das überlebt hat.»
    «Er hatte schon großes Glück, dass er Seibei besiegt hat. Also wirklich: ein solcher Ringertrick? Wie ordinär.»
    «Ja, in der Tat, sehr seltsam.»
    «Aber manchmal sind die Geister gerade solchen Männern gewogen.» Der Linke nickte. «Irgendwas sagt mir, er ist noch am Leben.»
    «Also, mir ist es egal, wie seltsam er ist und was er für ein Glück hatte», knurrte der Rechte. «Er hat vor sämtlichen Samurai Japans unsere Schule beleidigt – da setzen wir ihn doch wohl auf die Liste, oder?»
    «Aber selbstverständlich», sagte der Mittlere.
    «Gut», spie der Rechte. «Wenn er sich jemals in Kyoto blicken lässt, verteile ich seine Eingeweide auf der Straße und überlasse sie den Krähen.»
    «Das würden wir alle», schloss der Älteste. «Wir sind die Yoshioka.»
    Ein weiterer Samurai wurde vor sie geführt. Die Reihen der Gefangenen schienen sich überhaupt nicht zu lichten. Als ihm ein Regentropfen auf die Stirn platschte, blinzelte der rechte Scharfrichter. Er sah mit zusammengekniffenen Augen empor, und über ihm und den Toten und dem neugeborenen Japan des Tokugawa begann ein Wolkenbruch niederzugehen.
    Die Scheiterhaufen brannten dennoch weiter.

Nachwort
    Einige Anmerkungen zu den geschichtlichen Hintergründen

    Was bedeutete es, ein Samurai zu sein?
    Dieser Begriff wurde in den Jahrhunderten, in denen der Samuraistand in Japan existierte, recht unterschiedlich ausgelegt. Zu behaupten, er sei dehnbar gewesen, ginge wohl zu weit, denn es gab etliche Konstanten – ein Samurai war ein stoischer, zurückhaltender Mann, der Schwerter trug und allergrößten Wert auf die Ehre seines Namens und seines Clans legte –, doch er war durchaus Wandlungen unterworfen. Waren die Samurai, als sie sich im elften und zwölften Jahrhundert als vorherrschende Gesellschaftsschicht herausbildeten, zunächst einfach nur diejenigen, die am besten mit Schwert und Bogen umzugehen wussten, so hätte man, als ihre Epoche Mitte des neunzehnten Jahrhunderts schließlich zu Ende ging, die meisten von ihnen als schwer bewaffnete Bürokraten bezeichnen können.
    Die in diesem Roman dargestellte Epoche war eine Zeit großer Umwälzungen. Es waren Jahre des Übergangs, in denen sich der Samuraistand von einem meritokratischen Kriegerorden in eine Kaste verwandelte, in die man nur hineingeboren werden konnte. Der Feldherr Hideyoshi Toyotomi, der Japan von 1585 bis zu seinem Tod 1598 faktisch regierte, wurde zum Hauptinitiator dieses Wandels, indem er gleich zu Beginn seiner Herrschaft nur noch den Samurai das Tragen von Waffen gestattete. Dies wurde zwar erst einige Jahrzehnte später unter dem Tokugawa-Shogunat gesetzlich festgeschrieben, doch damit begann die strikte Aufteilung der Gesellschaft in die Schichten der Samurai, Bauern, Handwerker, Händler und, ganz zuunterst, der Burakumin.
    Die große Ironie besteht darin, dass Toyotomi selbst Sohn eines Bauern war. Er versuchte sich in allerhand Berufen, ehe er Soldat wurde, seine kriegerischen Talente entdeckte und schnell in höchste militärische Ränge aufstieg. Zwar hatte die Abstammung schon immer über das Prestige entschieden, nun aber wurde sie, durch das Dekret eines gemeinen Mannes, zum alles entscheidenden Faktor – worauf viele seiner Zeitgenossen und Nachfahren mit sorgsam verborgener Empörung reagierten.
    Während sich diese radikalen Veränderungen meist eher abrupt als allmählich vollzogen, waren die Ideale des Samuraitums von Jahrzehnt zu Jahrzehnt und sogar von Stadt zu Stadt Variationen unterworfen. Die Ansichten zu Kleiderfragen, zur spirituellen und praktischen Bedeutung des Schwerts, zur Kunst – manche Fürsten ermunterten ihre Samurai zum Studium der Dichtkunst, da sie sich davon eine zivilisierende Wirkung versprachen, wohingegen andere das als weibische Zeitverschwendung abtaten –: Das alles variierte je nach Ort und Zeit.
    Die Figur des Munisai in diesem Roman könnte man als sehr konservativen, «traditionellen» Archetyp bezeichnen. Ihm zufolge war der Lebenszweck eines Samurai die Gefolgschaft bis in den Tod – den sein Herr jederzeit befehlen konnte. Vieles hiervon wird in einem der bedeutendsten Werke der Samurai-Kultur veranschaulicht: dem
Hagakure
(wörtlich: «Hinter den Blättern»), einer um 1716 veröffentlichten Essaysammlung von Tsunetomo Yamamoto. Yamamoto war ein Samurai, dem untersagt wurde, seinem Herrn – wie es oft üblich
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