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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)
Autoren: David Kirk
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Tokugawa verhielt sich hier tatsächlich großmütig, und so machten sich die Männer mit einem gewissen Stolz ob der Tugendhaftigkeit ihres Herrn ans Werk.
    Ja, sie feierten diesen Akt geradezu. Sie sangen die alten Lieder und ließen lächelnd Sakeflaschen herumgehen, während sie Leichen umdrehten, um zu sehen, ob es sich um Freund oder Feind handelte. Den Freunden huldigten sie und vergossen Tränen über ihren Tod, den Feinden schlugen sie die Köpfe ab, entledigten sie ihrer Rüstungen und ihrer Wertsachen und schleppten die Leichname dann zu einem der Scheiterhaufen. Das hier war Krieg, da war keine Zeit für Formalitäten.
    Die Gefangenen des westlichen Heers trieb man neben dem Turm zusammen. Es kamen ständig noch weitere dazu, Versprengte, die man auf den Hügeln gefasst hatte. Diese Männer sahen ihre Bewacher hasserfüllt an, denn viele von ihnen waren am Morgen noch ihre Verbündeten gewesen. Für sie gab es keine Gnade: Sie starben entweder eines würdevollen Todes durch Seppuku oder wurden, wenn sie den Mut nicht aufbrachten, kurzerhand geköpft.
    Fünfzig Männer standen bereit, sie zu enthaupten, sie alle berühmte Schwertkämpfer. Der Boden zu ihren Füßen hatte sich in einen blutgetränkten Sumpf verwandelt, und die Hitze des Feuers, neben dem sie standen, hatte ihnen die Härchen an den Armen und im Nacken versengt, doch das hielt sie nicht davon ab, makellose Hiebe zu vollführen. Ohne zu zögern oder innezuhalten enthaupteten sie Tausende: eine große Maschine, die Feiglinge und Unglückselige verschlang.
    Drei dieser Scharfrichter gehörten der Yoshioka-Schule an.
    Ein feindlicher Samurai wurde vor sie geführt. Er war ganz ruhig und furchtlos und sank geschmeidig auf die Knie. Dann verneigte er sich vor den Yoshioka-Absolventen, rammte sich einen Dolch in den Bauch und wurde von dem Linken der dreien enthauptet.
    «In einem anderen Leben werden wir Freunde sein», sagte er zu dem Toten, und seine Kameraden und er verneigten sich respektvoll.
    Rangniedere Samurai trugen den Kopf ehrfürchtig zum Turm hinüber und legten ihn dort mit dem Gesicht nach außen ab, sodass jedermann sehen konnten, wie ein tapferer Mann aussah. Seinen Körper warf man auf den Scheiterhaufen daneben. Die Yoshioka-Scharfrichter sahen zu, wie er Feuer fing und in den wohlgeschürten Flammen aufzugehen begann.
    Der rechte Yoshioka wandte sich als Erster wieder davon ab und griff sich mit blutigen Fingern an die Nase. Er war ein bärbeißiger Mann, klein und stämmig, und machte jetzt ein finsteres Gesicht. Er hatte schon eine ganze Zeitlang vor sich hin gemurrt.
    «‹Das ist alles? Das soll die Yoshioka-Schule sein?›», näselte er nachahmend. «Ich kann es nicht glauben, dass Seibei von diesem Hund getötet wurde. Wie hieß er noch?»
    «Musashi Miyamoto – so hat er sich, glaube ich, seinem Heer gegenüber genannt», sagte der mittlere Mann. Er wirkte ruhig, und seine Stimme klang sanft. Er war noch jung, von eher zierlichem Wuchs und mit markanten Wangenknochen. «Sein Verhalten war sehr seltsam, nicht wahr?»
    «Ist es ein Wunder, dass wir gesiegt haben, wenn so etwas bei denen gang und gäbe ist?», erwiderte der Linke. Er war der Älteste der drei. Sein Haar wurde schon grau, und seine Augen waren eingesunken. «Die erste Regel beim Bau eines Hauses besagt, dass man … Nun, dieses Gleichnis ist dann doch wohl zu makaber, um es unter diesen Umständen weiter auszuführen.»
    Der nächste Samurai wurde vor sie geführt. Ihm liefen die Tränen über die Wangen, und er flehte in wirren Worten, man möge ihn doch am Leben lassen. Bevor die Klinge niedersauste, kreischte er noch einmal auf und riss die Hände hoch. Der Samurai, der dem davonkullernden Kopf am nächsten war, stieß ihn mit dem Fuß verächtlich zum Turm hinüber. Er wurde oben auf den Haufen geworfen, wo die Visage dieses Feiglings bald auf Nimmerwiedersehen unter anderen verschwinden würde.
    «Blödmann», knurrte der rechte Scharfrichter. Er hob die abgetrennten Finger des Mannes vom Boden auf und warf sie nacheinander ins Feuer. «Hat man den Leichnam von diesem Miyamoto schon gefunden? Ich müsste nämlich dringend mal scheißen.»
    «Nein», sagte der linke Scharfrichter. «Aber Seibei haben sie glücklicherweise gefunden – sowohl den Kopf als auch den Leib –, und einige unserer Schüler bringen ihn nach Kyoto zurück. Wir werden ihm bald die letzte Ehre erweisen. Aber dieser Miyamoto …»
    «Er wurde beim Angriff unserer Speerkämpfer
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