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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition)
Autoren: M. Agejew
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Treppe hinauf, ohne zu zählen, an wie vielen Treppenabsätzen ich bereits vorbeigekommen war; aber als ich einen von ihnen passiert hatte, um die Ecke gebogen war und weiter die Treppe hochstieg, da spürte ich in den Waden plötzlich diese seltsame Müdigkeit, die mich nicht weiterlassen wollte und die mir sofort sagte, dass sich am Treppenabsatz, den ich gerade überquert hatte, die Tür zu unserer Wohnung befand. Ich ging wieder hinunter, und nachdem ich mit einiger Mühe erfasst hatte, auf welcher Seite die Tür war, zu der ich wollte, stellte ich mich davor, setzte zum Klopfen an und brachte schon mein Gesicht in Form, um der Njanja entgegenzutreten, als ich bemerkte, dass die Tür gar nicht verschlossen, sondern nur angelehnt war. «Vielleicht liegt die Kette vor » , dachte ich, aber als ich die Tür mit der Hand berührte, da öffnete sie sich leicht und ohne zu knarren. Vor mir lag unsere Küche. Zwar war es auch hier sehr dunkel, aber am Geräusch der Küchenuhr erkannte ich sogleich, dass dies unsere Wohnung war; die Uhr tickte auf besondere Art, ungleichmäßig wie ein Hinkender beim Treppensteigen: zweimal schnell, Pause, und wieder ticktack.
    Alles Weitere, was in dieser nächtlichen und wie verlassenen Wohnung passieren sollte, war irgendwie seltsam, und ich spürte genau, dass jenes Seltsame eben in dem Moment begann – oder sich vielleicht verstärkte – , als ich den Flur betrat. Als ich beispielsweise vor der Tür meines alten Zimmers stehen blieb, wusste ich nicht mehr, ob ich die Küchentür hinter mir abgeschlossen hatte, und konnte mich nicht einmal mehr erinnern, ob in der Tür ein Schlüssel steckte. Und als ich mich ins Esszimmer geschlichen hatte, da konnte ich mich schon nicht mehr entsinnen, bis zu welcher Stelle ich in normalem Schritt gegangen war und wann ich mit dem Schleichen begonnen hatte. Als ich nun im Esszimmer stand und den Atem anhielt, da wusste ich noch, dass die Tür zu meinem Zimmer abgesperrt war, aber warum ich mich so entsetzlich beeilt hatte, von dieser Tür fortzukommen, warum ich so furchtbare Sorge gehabt hatte, dass mich dort jemand ertappen könnte – dessen konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr entsinnen.
    Im Esszimmer war es sehr still. Kein Ticken der Uhr. In der schattenhaften Dunkelheit konnte ich nur erkennen, dass auf dem Esstisch keine Tischdecke lag und dass die Tür zum Schlafzimmer meiner Mutter offen stand. Und aus dieser geöffneten Tür kam die Angst auf mich zu. Ich stand starr da, stand lange, ohne mich auch nur zu rühren, und es kam mir schon so vor, als würde ich – oder etwas in mir – langsam hin und her wanken. Ich hatte bereits den festen Entschluss gefasst zu gehen und am Morgen wiederzukehren, wollte schon zurück in den Flur (da ich immer mehr den Schrecken fürchtete, den mein unerwartetes nächtliches Erscheinen bei meiner Mutter auslösen würde), als plötzlich aus dem Schlafzimmer ein deutliches Geräusch zu vernehmen war; im selben Moment schien jemand wie mit einer unsichtbaren Schnur an mir zu ziehen, und ich rief stockend: «Mama? Mama ?» Aber das Geräusch wiederholte sich nicht. Und niemand reagierte. Ich weiß noch gut, dass sich, als ich zu rufen begann, aus irgendeinem Grund ein Lächeln auf mein Gesicht legte.
    Obwohl ja während dieser Minute entschieden nichts Besonderes passiert war, schien es mir jetzt, nachdem meine Stimme erklungen war, schon gänzlich unmöglich zu gehen und erst am Morgen zurückzukehren. Ich ging weiter, so leise wie möglich auftretend, löschte den glitzernden Fleck auf dem Samowar, ging um den Tisch herum und schlich mich entlang der Lehnen der um den Tisch stehenden Stühle ins Schlafzimmer. Die Gardinen waren geöffnet. Auf Zehenspitzen ging ich langsam weiter bis zur Zimmermitte. Hier war es aber so schrecklich dunkel, dass ich mich unwillkürlich zum Fenster umwandte. Dort stand das Mondlicht, von dem jedoch nichts ins Zimmer drang. Nicht einmal das Fensterbrett oder die Gardinenfalten waren in Licht getaucht. Die Lehne des Sessels, in dem Mutter immer saß und stickte, hob sich wie ein gestochen schwarzer Strunk vom Fenster ab. Als ich mich vom Fenster wegdrehte, wurde es noch dunkler. Ich wusste jetzt, dass ich etwa zwei Schritte vom Bett entfernt stand. Mein Herz schlug laut, und ich meinte schon den warmen Geruch des neben mir schlafenden Körpers zu verspüren. Noch immer stand ich da und hielt den Atem an. Einige Male öffnete ich den Mund, obwohl ich ihn, um «Mama »
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