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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition)
Autoren: M. Agejew
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einem glänzenden Resümee seiner Ausführungen und gab uns klar zu verstehen, dass er, Stein, ein Mensch seiner Zeit sei, all dies zwar erzähle, aber eben nur widerwillig, denn in Wahrheit ließe er sich dazu nur herab und betrachte die Menschen vergangener Epochen lieber von oben. Dass er, dem heute Automobile, Flugzeuge, Zentralheizung und die Internationale Schlafwagengesellschaft zu Diensten stünden, es für sein gutes Recht halte, auf die Menschen aus Zeiten der Pferdefuhrwerke herabzuschauen – und wenn er diese Menschen studiere, dann nur, um sich einmal mehr von der Überlegenheit unseres erfinderischen Jahrhunderts zu überzeugen.
    Und, schließlich, Wassili Burkewitz, und wieder dieselbe Frage wie bei den ersten beiden. Zunächst enttäuschte Burkewitz. Allzu nüchtern skizzierte er seine Ausführungen, unsere Ohren waren verwöhnt und erwarteten das deutliche Geratter von Stein. Aber schon nach wenigen Wendungen streute Burkewitz ganz nebenbei ein kleines Detail aus dem Alltagsleben jener Epoche ein, von der er sprach, als hätte er plötzlich ausgeholt, um eine prächtige Rose auf die Hügel der Geschichtsgräber zu werfen. Auf das erste historische Detail folgte, so vereinzelt wie Regentropfen vor einem Gewitter, ein zweites, dann ein drittes, dann viele mehr und schließlich ein ganzer Regen, sodass er in der Entwicklung der Ereignisse immer langsamer und mühsamer vorankam. Die alten Gräber, geschmückt von den auf ihnen liegenden Blumen, schienen ganz frisch, noch unvergessen, gestern erst ausgehoben. Das war der Anfang.
    Indem aber nun dieser Einstieg uns die Häuser und Menschen von damals und die Geschäftigkeit früherer Zeiten näherbrachte, uns vor Augen führte – war Steins Sichtweise auch schon widerlegt, der die heutige Epoche über die vergangene stellte, nur weil der Luxusexpress heutzutage zwanzig Stunden brauchte für eine Distanz, für die man mit dem Pferdefuhrwerk in jener fernen Zeit über eine Woche benötigt hatte. Durch eine geschickte, wie zufällig wirkende Umkreisung und Zusammenführung des Lebens von heute und damals nötigte uns Burkewitz zu erkennen, ohne indes darauf zu bestehen, dass Stein sich irrte. Dass der Unterschied zwischen den Menschen, die in den Zeiten des Pferdefuhrwerks gelebt hatten, und jenen, die heute in der Epoche des technischen Fortschritts lebten – ein Unterschied, der, wie Stein meint, ihm, Mensch seiner Zeit, das Recht gebe, sich über die Menschen der vergangenen Epochen zu stellen –, dass dieser Unterschied überhaupt gar nicht existiere; dass es gar keinen Unterschied zwischen dem Menschen von damals und heute gebe, dass, ganz im Gegenteil, sie sich sogar gleichen würden und gerade das Fehlen jeglichen Unterschieds die frappierende Ähnlichkeit der menschlichen Beziehungen erkläre, einerlei ob man wie damals für eine Entfernung nun eine Woche gebraucht habe oder sie wie heute auf zwanzig Stunden schrumpfe. Dass nämlich so, wie heute sehr reiche, in teures Gewand gekleidete Menschen mit der Internationalen Schlafwagengesellschaft fahren würden, seinerzeit, wenn auch anders, sehr teuer gekleidete, in Zobelpelz gehüllte Menschen in mit Seide ausgeschlagenen Kutschen gefahren seien; dass so, wie heute Menschen, wenn auch nicht reiche, so doch trotzdem sehr gut betuchte, zweiter Klasse reisen würden, die ihr Lebensziel darin sähen, sich eines Tages einen Platz im Schlafwagen leisten zu können, es genauso seinerzeit Menschen gegeben habe, die mit weniger edlen Equipagen unterwegs und in Fuchsfelle gehüllt gewesen seien, und deren Lebensziel darin bestanden habe, sich eine noch teurere Equipage anzuschaffen und den Fuchs durch einen Zobel zu ersetzen; dass so, wie heute noch manche Menschen in der dritten Klasse reisen müssten, weil sie sich den Eilzuschlag nicht leisten könnten und also dazu verdammt seien, auf den harten Planken der Bummelzüge auszuharren, es seinerzeit Leute ohne Geld noch Rang gegeben habe, die daher länger den Flöhen auf den Bänkchen der Stationsvorsteher ausgesetzt gewesen seien; dass schließlich so, wie es heute Menschen gebe, die hungrig, beklagenswert, zerlumpt an den Bahnstrecken entlangschweifen würden, es seinerzeit beklagenswerte, zerlumpte Hungerleider gegeben habe, die sich an der Poststrecke entlanggeschleppt hätten. Schon lange sei die Seide vermodert, seien die Kutschen verrottet, entzweigegangen, habe die Motte den Zobel zerfressen, doch die Menschen scheinen noch immer dieselben, als
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