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Rom kann sehr heiss sein

Titel: Rom kann sehr heiss sein
Autoren: Henning Bo tius
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Schäfer vorbei und ließ mir etwas Brot da. Ich fühlte mich wie ein Eremit. Dann, eines Tages, hörte ich Stimmen. Eine Gruppe von Wanderern erschien. Sie hatten Zelte dabei. Studenten aus Paris. Sie schlugen ihr Camp in der Nähe des Hauses auf. Ich machte, dass ich wegkam. Mein Wüstentraum war ausgeträumt. Die Schuldgefühle hatte ich immer noch. Sie sind noch heute hier drinnen.« Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. »Thomas von Aquin wird mit einer Sonne auf seiner Brust dargestellt. Sie brennt auf sein Herz, seine Seele, so entsteht seine Wüste in ihm. Vielleicht solltest du deine Wüste lieber in dir suchen statt in einer Landschaft, Piet.«
    Alfredo hatte seine Demonstration organisiert und die Genehmigung in der Tasche. Wir erhielten unsere Ausstattung und fuhren in einem Pulk gelb gekleideter Fahrradfahrer los. Die vordersten fuhren einhändig und trugen zwischen sich große Transparente, auf denen stand: »Alle Macht den Fahrrädern. Die Autos sind der Tod des Verkehrs.« Vor und hinter dem Pulk fuhren Carabinieri auf schweren Maschinen mit Blaulicht. In gebührendem Abstand folgte unserem Pulk die Masse wütend hupender Autofahrer. Man war dergleichen vom Giro d'Italia gewöhnt, und niemand regte sich wirklich auf.
    Eine Stunde später zogen wir uns auf einer Flughafentoilette um. Alfredo umarmte uns. »Wenn ihr das nächste Mal wieder hier seid, werdet ihr ein paar neue Fahrradwege erleben. Alle Fahrradwege führen nach Rom, ist meine Devise. Grüßt den Norden von mir, der den größten Fahrradkonstrukteur hervorgebracht hat. Den Leonardo des Zweirads!«
    Kurze Zeit danach saßen wir in einem Flugzeug nach Berlin und dann in einem nach Helsinki.

16. Suomenlinna

    Einar wollte zum großen Schlag gegen HUBRO ausholen, wie er sich ausdrückte. Dazu brauchten wir Ruhe. Wir wollten unser Material sorgfältig zusammenstellen, Mappen mit Fotos und Berichten.
    Wir gingen zum Hafen und fuhren mit einer kleinen Fähre in die Schären hinaus, eine amphibische Landschaft. Überall ragten flache Felsinseln aus dem glatten Wasser, ähnlich den Panzern grauer, steinerner Schildkröten. Die größeren von ihnen trugen ein oder mehrere Holzhäuser auf dem Buckel. Die Fähre fuhr nach Suomenlinna. Suomenlinna besteht aus mehreren Felsinseln, die wunderschön rundlich bearbeitet sind von Wind und Wetter. In den Mulden wachsen Büsche, auf der Ostseite sogar kleine Wäldchen. Die Westseite ist von Fjorden untergliedert. Hier gibt es kleine Sandstrände. Ein Paradies des Friedens und in dieser Jahreszeit auch der Einsamkeit. Überall sah man frisch restaurierte Geschützrohre in den Himmel starren, als wollten sie diesen Zustand verteidigen.
    Suomenlinna war früher die größte Seefestung der Ostsee gewesen. Viele der alten Gebäude, der Kasinos, der Kasematten, der Offiziershäuser waren liebevoll restauriert und dienten als Cafés, als Museen oder auch als Wohnungen. Es wohnten einige hundert Leute hier, und viele von ihnen fuhren tagtäglich mit der Fähre zur Arbeit in die Stadt.
    Wir mieteten eine kleine Wohnung in einem Holzhaus an der Ostseite. Es war kalt und stürmisch. Der Winter kündigte sich an. Die ganze Nacht hindurch heulte der sibirische Wind. Als ich erwachte, glitzerten Perlen auf dem schrägen Dachfenster über mir. Waren es gefrorene Regentropfen oder Sterne? Zwei Formen der Unendlichkeit? Zum ersten Mal seit langem fühlte ich Geborgenheit.
    Einar fuhr in die Stadt, um Material zu besorgen. Fotos, Fachliteratur über das Klonen, zum schwierigen Thema neuronaler Implantate und künstlicher Intelligenz. Mein Freund war inzwischen der Überzeugung, dass Falsini und Gonzaga versucht hatten, Dales Gehirn zu scannen, herunterzuladen auf einen der Computer des Labors.
    Nach getaner Arbeit saßen wir meistens im Bootshaus, das zur Wohnung gehörte, an einem kleinen gusseisernen Holzofen und lauschten dem glucksenden Geräusch des Wassers unter uns. Wir beschlossen, uns unser Leben zu erzählen. »Wo fangen wir an?«, sagte Einar. »Am besten bei Adam und Eva. Warum hat Gott die Welt erschaffen? Aus dem gleichen Grund wie ein Kind, das eine Sandburg baut. Er war einfach neugierig, er war ein Entdecker. Er wollte sehen, wie etwas entsteht und von selbst zu Grunde geht. Entdecker sind ewig Ruhelose. Ein von mir sehr verehrter schwedischer Dichter hat es so ausgedrückt: Der Entdecker denkt immer an das Unentdeckte im bereits Entdeckten. Darum kehrt er um, nur um wieder Unentdecktes hinter
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