Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rolf Torring 079 - Doktor Gallas Spinnen

Rolf Torring 079 - Doktor Gallas Spinnen

Titel: Rolf Torring 079 - Doktor Gallas Spinnen
Autoren: Hans Warren
Vom Netzwerk:
„Niemand ist im Haus," antwortete der Diener. So bescheiden der Ton klingen sollte, so hochmütig war er in Wirklichkeit.  
      Der Inder hatte sich uns zugewandt und machte mit unmerklicher Verbeugung eine einladende Bewegung zur offenstehenden Tür hin. Dabei schien es mir, als läge im Blick seiner Augen offener Hohn.  
      „Wer hat die Tür geöffnet?" fragte Goulden scharf.  
      Der Inder zog erstaunt und noch hochmütiger die Augenbrauen hoch, dann sagte er mit leiser Verwunderung in der Stimme, als verstünde er gar nicht, daß der Inspektor überhaupt fragen könnte:  
      „Die Tür habe ich geöffnet, Sahib."  
      „Unsinn," rief der Inspektor, „Sie haben die Tür gar nicht berührt!"  
      „Das ist nicht nötig," sagte der Inder ruhig. „Bitte, Sahib, ich werde die Tür wieder schließen und noch einmal öffnen."  
      Er wandte sich um und blickte die Türöffnung an. Ich bemerkte von meinem seitlichen Standpunkt aus, daß seine Augen einen starren Ausdruck annahmen, Plötzlich ging die schwere Tür lautlos wieder auf.  
      Vielleicht war eine Vorrichtung vorhanden, die durch einen im Hause versteckten Menschen bedient wurde.  
      Der Inder machte wieder eine einladende Bewegung und neigte leicht den Kopf.  
      Goulden blickte uns an. Als Rolf nickte, betrat er entschlossen das Haus. Wir folgten ihm auf dem Fuß. Den Schluß machte der Inder. Hinter der Tür — wir hatten uns sofort umgedreht — stand niemand. Als der Inder sie anblickte, schloß sie sich lautlos.  
      „Sehr eigenartig," meinte Goulden halblaut. „Na, dafür sind wir eben in Indien!"  
      „Die Tür ist recht geschickt konstruiert," sagte Rolf mit betontem Gleichmut. „Ich vermute, daß in einer der starken Angeln eine mechanische Vorrichtung angebracht ist. Ich halte Doktor Galla für einen geschickten Mechaniker."  
      Wieder hatte Rolf ziemlich laut gesprochen, ohne den Inder dabei eines Blickes zu würdigen. Um so schärfer, wenn auch ganz unauffällig, beobachtete ich ihn. Zu meiner stillen Freude sah ich, daß seine Augen vor Wut aufblitzten, auch wenn er sich den Anschein äußerster Ruhe gab.  
      Der Diener sagte:  
      „Ich verstehe den Sahib nicht. Die Tür öffnet sich und schließt sich, weil ich es will. Wollen mir die Sahibs bitte durch alle Räume folgen, damit sie sich überzeugen, daß Doktor Galla nicht anwesend ist?"  
      In seiner Stimme hatte wieder ein leiser Hohn gelegen. Inspektor Goulden antwortete schärfer, als es nötig gewesen wäre:  
      „Selbstverständlich besichtigen wir alle Räume des Hauses. Hier ist ja nicht viel zu sehen."  
      Er blickte sich dabei in dem kleinen Raume um, in den wir getreten waren, den man in einer Großstadtwohnung als Diele bezeichnen würde. Er war ungefähr vier Meter im Quadrat groß. Seine Einrichtung bestand aus zwei Bänken, die mit Sitzkissen belegt waren. Ein paar einfache Vorhänge deckten wohl Türöffnungen, die zu den Haupträumen führten.  
      „Sie haben recht," sagte Rolf, „zu sehen ist nicht viel, wenn uns nicht aus den alten, dicken Mauern heraus oder hinter den Vorhängen neugierige Augen beobachten."  
      Dabei blickte Rolf in die Runde und ließ seine Blicke aufmerksam über die Wände gleiten, ehe er fortfuhr:  
      „Ich glaube, Herr Goulden, daß wir keinen Menschen in den Räumen sehen werden, bin aber fest davon überzeugt, daß mindestens noch ein Mensch anwesend ist, der den Mechanismus der Tür betätigte. Wir werden uns die übrigen Räume des Hauses ansehen. Doktor Galla muß übrigens eine kleine Werkstatt haben. Es könnte natürlich auch sein, daß die mechanische Türschließvorrichtung schon von den Erbauern des Tempels angebracht wurde."  
      Wieder bemerkte ich mit stillem Vergnügen, daß der alte Diener Mühe hatte, seine im Innern kochende Wut nicht sichtbar werden zu lassen. Rolf schien mit seiner Behauptung also den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben. Oder der Inder war empört, weil er der Lüge bezichtigt wurde.  
      Im gleichen Augenblick sagte er:  
      „Der Sahib zweifelt an meinen Worten. Der Sahib weiß, daß er ein Herr ist, während ich nur ein Diener bin. Vielleicht denkt der Sahib noch an seine Worte."  
      Das war eine versteckte Drohung. Der Inspektor wollte schon auf den Inder losfahren, als Rolf lachend sagte:  
      „Lassen Sie nur, Herr Goulden. Mir ist es verständlich, daß der Inder wütend auf mich ist, weil ich die Wahrheit ahne. Seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher