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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot
Autoren: Marketa Haist
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Berglmaier ist dann geräuschvoll davongestampft, weil ihm keine weitere Drohung einfiel. Aber sauer war er wie noch nie zuvor. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Jens recht hat und der Berglmaier in der Mordgeschichte drinsteckt. Doch ohne Beweise ist das nichts weiter als eine Spekulation.

Drei
    Wenn erst einmal alle mitbekommen haben, dass der Sepp tot ist, werden sie sicher mit schlauen Sprüchen aufwarten wie »Das hat sich ja schon eine Weile abgezeichnet« oder »Ich hab’s ja kommen sehen« und so weiter. Hinterher weiß schließlich immer jeder alles besser.
    Konnte man es kommen sehen? Eigentlich nicht. Der Sepp war wohl schon seit seiner Geburt ziemlich streitlustig. Dass es in letzter Zeit schlimmer war als früher, kann man nicht wirklich behaupten. Und doch muss irgendeine der Auseinandersetzungen der letzten Tage zu dem Mord geführt haben. Ich versuche, mich zu erinnern.
    Zum Beispiel an vergangenen Samstag. Eigentlich fing alles ganz normal an. Die Anni lud wie jeden Samstagmorgen die Topfpflanzen in den Lieferwagen, um sie in Penzberg an einem Stand vor dem Friedhofseingang zu verkaufen. Im kleinen Gewächshaus stehen manchmal Hunderte von Topfpflanzen. Bei offener Türe kann ich hineinlugen und sie sehen. Ziemlich beschränkte Geschöpfe, wenn ihr mich fragt. Jede interessiert sich nur dafür, ob sie ein paar Zentimeter höher oder breiter ist oder ob sie eine offene Blüte mehr hat als ihre Nachbarinnen links und rechts. Im Frühjahr sind es die Stiefmütterchen für die Vorgärten und Grabbepflanzungen. Gleichzeitig die Balkon-Hängegeranien, für die der Sepp in der ganzen Gegend berühmt ist. Dann die Wasserbegonien, die auf die Gräber gesetzt werden, wenn die Stiefmütterchen nicht mehr so reichlich blühen und auf dem Friedhofskompost landen. Im Herbst, wenn die Begonien weg sind, noch mal Stiefmütterchen und Erika, mit denen die Gärtnerei an Allerheiligen ein Mordsgeschäft macht.
    Als die Anni kam, um einige Stiegen mit Wasserbegonien ins Auto zu packen, tuschelten sie ganz aufgeregt: »Nach Penzberg, nach Penzberg!«
    »Nach Penzberg auf den Friedhofskompost«, hätte ich ergänzen können, aber ich wollte ihnen nicht die Laune verderben. Dann patschte die Anni auch schon den Wagenschlag zu, und das Getuschel verstummte.
    Das leiser werdende Motorgeräusch war noch zu hören, da sah ich den Jens in Richtung Gärtnereitor pirschen. Was hatte er vor? Der Sepp schien sein Weggehen nicht zu bemerken. Er war gerade völlig in der Betrachtung des Rosenbeetes versunken.
    Ich spitzte meine Blätter, um zu hören, wo in Reindlfing der Jens wieder auftauchen würde. Da! Die Fichte am Sporthaus Eisinger hatte ihn geortet. Sie besitzt den größten Weitblick, weil sie der höchste Baum im Dorf ist und außerdem ohne Hindernisse die Landstraße, an der sich das »Sporthaus Eisinger« befindet, hinauf- und hinunterschaut. Früher war das Sportgeschäft ein bisschen ab vom Schuss. Seit der Anger verkehrsberuhigt wurde, liegt es jedoch direkt an der Ortskern-Umgehung, die als Landstraße weiter zu den Skigebieten um Mittenwald führt. Und zwar so, dass jeder, der von Norden kommt, dem Eisinger praktisch ins Schaufenster fährt. Da halten viele an und kaufen noch schnell Skibrillen oder Handschuhe, die sie daheim vergessen haben. Manche kaufen hier sogar die komplette Ausrüstung für ihre Kinder, die aus der vom letzten Winter herausgewachsen sind. Und wenn die pubertäre Tochter den Anorak mit dem rosa Pelzkragen sieht, dann nervt sie so lange, bis sie den auch noch kaufen. Das erzählt mir die Fichte alles bei Saisonende, im Frühjahr. Ich bekomme vom Wintertrubel nichts mit, weil ich nicht immergrün bin. So ein Mist.
    Einen Umsatz wie der »Sport Scheck« in München macht der Eisinger zwar nicht, aber er kann gut davon leben. Besonders seine Frau. Auf einem Business-Seminar hat er sie getroffen. So eine zugezogene Norddeutsche. Also, zugezogen von auswärts, nicht zugezogen kleidungsmäßig. Da eher das Gegenteil. Dennoch benötigt sie ein ziemlich üppiges Budget für ihre Garderobe. In den teuren Boutiquen kosten ja die Kleider desto mehr, je weniger Stoff dran ist.
    Der Jens betrat das Sportgeschäft durch die automatische Glasschiebetüre, die an diesem Samstag glücklicherweise klemmte. So konnte die Fichte mit ihren untersten Ästen nicht nur beobachten, sondern auch belauschen, was im Verkaufsraum vor sich ging.
    Durch den langen Hauptgang sah man die Chefin im Hintergrund an der
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