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ROD - Die Autobiografie

ROD - Die Autobiografie

Titel: ROD - Die Autobiografie
Autoren: Rod Stewart
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werden wir noch reichlich Gelegenheit haben, sie auseinanderzunehmen. Auf jeden Fall lagen zwischen meiner Geburt und dem Einschlag in der Polizeistation mehrere Wochen.
    Gleichwohl stand das Leben in London immer auf Messers Schneide, und alle Überlebenden verband die Freude, es geschafft zu haben – erst recht, wenn das Haus, wie unseres, in Sichtweite eines Bahn-Betriebshofes lag, wodurch es unbeabsichtigt schlecht zielende Bomber regelrecht anzog. Als meine Mum mit mir schwanger war, heulten meist gegen halb zwei Uhr nachts die Sirenen, und Mary, mit siebzehn Jahren die Älteste, holte meinen Bruder Bob und meine Schwester Peggy aus den Betten, steckte sie in ihre Mäntel und führte sie, jeden mit seinem Kissen unter dem Arm, in den pechschwarzen Garten und dann hinunter in den Anderson-Unterstand unserer Familie – sechs von der Regierung zur Verfügung gestellte Wellbleche, aus denen eine Baracke gebaut und halb in den Boden eingelassen worden war. Auf das Dach geworfene Erde und Sandsäcke dienten als zusätzlicher Schutz vor Druckwellen. Dann krochen sie alle in die schmalen Stockbetten aus Metall und versuchten trotz des Lärms und ihrer Angst bis zum Morgen zu schlafen. Mein Bruder Don, damals fünfzehn, blieb lieber in seinem gemütlichen Bett zu Hause – zumindest so lange, bis einmal in der Nähe etwas herunterkam und das ganze Haus erbeben ließ. Von da an besaßen die Metallbetten im Garten für ihn auf einmal eine unwiderstehliche Anziehungskraft.
    Klar, Tausende anderer Londoner Familien waren in Sicherheit – die Kinder wurden evakuiert, aufs Land geschickt und übergangsweise von freundlichen Bauern adoptiert; dort war die Gefahr geringer, dass eine Rakete durchs Dach schlug. Meine Familie hatte darüber gesprochen und entschieden, dass sie eine Trennung nicht ertragen würde – weder die Kinder von den Eltern noch andersherum. Das Motto der Stewarts lautete: »Wenn wir gehen, dann zusammen.« Wir waren in dieser Hinsicht sehr clanmäßig. Und sind es bis heute.
    Das bedeutete allerdings nicht, dass jedes Familienmitglied alles erfuhr: So hatte Don zum Beispiel keine Ahnung, dass Mum schwanger war. Das sagt einiges darüber aus, wie zu jener Zeit über Sex und seine Folgen gesprochen wurde – oder eben gerade nicht. Don wunderte sich etwas, dass seine große Schwester so viel strickte (besonders im Luftschutzraum zum Zeitvertreib). Und hätte man ihn sehr eindringlich gefragt, wäre er wahrscheinlich damit herausgerückt, dass ihm der zusehends größer werdende Umfang seiner Mutter merkwürdig vorkam. Also erfuhr er davon zum ersten Mal an jenem Mittwochabend, als er gefragt wurde, ob er hinaufgehen und das Baby sehen wollte.
    Meine Schwester Mary dagegen wusste Bescheid. Sie war so aufgeregt, als wäre sie selbst schwanger, und je näher der Geburtstermin rückte, desto rascher eilte sie von ihrer Arbeit nach Hause. Mittwoch war ihr Rollschuhabend. »Es kommt heute noch nicht«, beruhigte Mum sie. Also ging sie zum Rollschuhlaufen. Zu diesem Zeitpunkt mussten bei meiner Mutter schon die Wehen eingesetzt haben, denn bis meine Schwester zurückgekommen war, ihre Rollschuhe ausgezogen hatte und die Treppe hinaufgerannt war, hatte sie schon ein weiteres Brüderchen bekommen: Roderick David Stewart. Mary war wie vom Donner gerührt – nicht, weil sie mich in meiner strahlenden, neu geborenen Pracht erblickte, sondern wegen Mum, die völlig erschöpft und kreidebleich im Bett lag. Da begriff sie, was ihre Mutter durchgemacht und warum sie sie fortgeschickt hatte: um ihr die Details zu ersparen.
    Mein Vater nahm die neue Situation erstaunlich gelassen, dabei hat er sicher darüber nachgedacht, wie er nun zurechtkommen sollte. Er stammte aus Schottland, aus Leith, nördlich von Edinburgh, hatte einige Zeit bei der Handelsmarine verbracht und war dann seinen Brüdern nach London gefolgt, um dort zu arbeiten. Meine Mum, eine gebürtige Londonerin, hatte er bei einer Tanzveranstaltung im Tufnell Park kennengelernt. Als ich auf die Welt kam, arbeitete er zwölf Stunden täglich als Klempner, kam abends um sieben nach Hause, zog seine Stiefel aus und legte seine qualmenden Füße neben dem Feuer hoch. Die langsam warm werdenden Socken stanken erbärmlich. Dad trank niemals. Einmal war er auf irgendeiner Baustelle abgefüllt worden und hatte noch an Ort und Stelle dem Alkohol abgeschworen.
    Dafür rauchte und wettete er (am liebsten auf Pferde), und ein fünftes Kind würde ihm kaum aus seiner
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