Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ROD - Die Autobiografie

ROD - Die Autobiografie

Titel: ROD - Die Autobiografie
Autoren: Rod Stewart
Vom Netzwerk:
noch höher. Vielleicht ein Kriegsschaden. Eines Tages, als ich acht war, sagte Mum: »Wir sehen uns Die Ferien des Monsieur Hulot an, das wird das Lustigste, was du je gesehen hast.« Das sind gewaltige Vorschusslorbeeren für einen Film – und durchaus berechtigt. Es war reiner Slapstick, aber trotzdem sehr subtil. Wir saßen im kaputten Parkett des Rex, und ich lachte, wie ich nie zuvor gelacht hatte, über Jacques Tati, der Chaos anrichtet, wo er geht und steht. Noch heute sind Ronnie Wood und ich große Tati-Fans.
    Der große Altersabstand zwischen mir und meinen Geschwistern brachte natürlich mit sich, dass wir zu Hause rasch weniger wurden. Zuerst heiratete Mary Fred, einen Lastwagenfahrer bei Wall’s. Mein Schutzengel war also fort. Dann heiratete Peggy Jim, einen wunderbaren, Cockney sprechenden Gemüsehändler, der im Krieg bei Monte Cassino gekämpft hatte – eine Erfahrung, die er nicht vergessen konnte. Jahre später, als ich schon zu etwas Geld gekommen war, war Jim einmal bei einem unserer großen Ausflüge mit dem Flugzeug zu einem Schottland-Spiel dabei. Die Reise ging nach Italien. Jim saß dort, drehte sich wie so oft eine Zigarette, sah nachdenklich aus dem Fenster und sagte: »Man hat mir mal vierzehn Schilling die Woche bezahlt, um die Leute da umzubringen.«
    Das Leben sollte es nicht gut meinen mit Peggy, die sich gerne in der Natur aufhielt und eine großartige Tennisspielerin war: Multiple Sklerose zwang sie mit Mitte dreißig in den Rollstuhl. Auch meine Mutter war wegen dieser Krankheit irgendwann auf den Rollstuhl angewiesen. Unfair.
    Der Nächste, der die Archway Road verließ, war Bob; er heiratete Kim. Schließlich verließ auch Don mit sechsundzwanzig unser Elternhaus, da war ich erst elf. Als ich von seiner bevorstehenden Hochzeit mit Pat erfuhr, schmolz ich zu einem kleinen, heulenden Häuflein Elend zusammen. Genauso hatte ich geweint, als er uns wegen des Wehrdienstes verlassen hatte – allerdings hauptsächlich, weil es meine Vorstellungskraft überstieg, wie Aldershot, der Ort, an den er geschickt wurde, aussah, wie überhaupt jemand dorthin gelangen, geschweige denn zurückkehren konnte. Dieser jüngste Verrat schien jedoch endgültig. Wie konnte er mich nur verlassen? Don nahm mich mit ins West End und versuchte, mir diesen Gedanken, so gut er konnte, mit Limonade schmackhaft zu machen.
    Dabei gingen meine Geschwister in Wahrheit gar nicht weit fort. Sie zogen im Grunde nur ein paar Türen weiter – im schlimmsten Fall nahmen sie eine Wohnung, die um die Ecke lag. Das Stewart-Clan-Ding eben. Ein paar Jahre später, als mich das Interesse an meinem Aussehen richtig gepackt hatte und ich gelegentlich Marys Fön oder das Haarspray meiner Schwägerin Pat ausleihen wollte, lernte ich diese Nähe zu schätzen. Sehr praktisch.
    »Total verzogen« ist in meiner Familie meist das Kürzel für meine Kindheit. Ich erhebe Einspruch. Die Begründung? In materieller Hinsicht gab es nicht viel, mit dem man mich hätte verziehen können. »Mit Nachsicht behandelt« wäre vielleicht eine passendere Beschreibung. Andererseits muss ich zugeben, dass Mary freitags nie von der Arbeit kam, ohne mir ein Spielzeug von Woolworth mitzubringen – irgendein kleines Auto oder einen Spielzeugsoldaten. War das ein Zeichen für »total verzogen«? Kann schon sein.
    Ich räume auch Folgendes ein: Meine Mutter kochte gerne mal Kanincheneintopf. Bevor ich auf die Welt kam, wurde das Kaninchenherz – es war zwar klein, galt aber als Delikatesse – in vier Stückchen geteilt. Als ich dann da war, bekam ich es ganz alleine.

    Als pflichtbewusster, jedoch nicht eben herausragender Schüler fiel ich durch die Eignungsprüfung nach der Grundschule, was niemanden sonderlich überraschte, und wurde in einer grauen Flanelluniform mit schwarz-weißer Krawatte auf die William Grimshaw Secondary Modern geschickt. Ray und Dave Davies von den Kinks gingen ungefähr zur gleichen Zeit auf dieselbe Schule, das fanden wir aber erst Jahre später heraus. Ich nahm immer den Bus nach North Finchley, der vor unserer Haustür abfuhr – sehr bequem. Am Ziel angekommen, musste ich dann allerdings eine Meile die Creighton Avenue hinuntergehen, das war weniger angenehm. Dafür reiste ich mit leichtem Gepäck, wie alle Schuljungen damals. Heute hat Alastair, mein Kleiner, Taschen, Bücher, Laptops und so Zeugs dabei, wenn er in die Schule geht. Mir kommt es so vor, als wäre ich die gesamte weiterführende Schule nur mit einem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher