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Rockoholic

Rockoholic

Titel: Rockoholic
Autoren: C. J. Skuse
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haben.« Ich trete an den Handtrockner und halte meine Hände darunter. Der grässlich laut dröhnende Luftstrom schindet für uns Zeit heraus, bis meine Hände trocken sind und ich mir überlegt habe, was ich als Nächstes sage.
    Â»Wer ist da drin, Jody?« Ich schüttele den Kopf. Sie lächelt und klackerdieklackert auf ihren halsbrecherischen Absätzen langsam auf mich zu. »Er ist es, stimmt’s? Er ist da drin, nicht wahr?« Sie sieht aus, als würde sie gleich in lautes Gelächter ausbrechen, so viel freudige Erregung in ihren Augen.
    Â»Da ist niemand drin.«
    Â»Er ist da drin.« Sie klopft an die Tür. »Es ist alles gut, Sie sind unter Freunden.«
    Â»Sally, bitte … da ist niemand drin. Okay?«
    Â»Jackson, kommen Sie schon, wovor haben Sie solche Angst? Ich bin doch auf Ihrer Seite.«
    Meine Kehle verkrampft sich, aber ich bringe noch genug Luft auf, um zu rufen: »Es ist jemand anders. Gehen Sie weg von der Tür!«
    Dinkley sieht mich an. »Jody, ich werde ihm nicht wehtun. Ich will ihn einfach bloß sehen. Schau mal, ich bin nicht der große böse Wolf …«
    Â»Nein, Sie sind bloß die böse Hexe!«, schreie ich und schubse sie so doll ich kann nach hinten, dass sie torkelnd klack, klack, klick, bumm mit voller Wucht gegen den Handtrockner kracht, der wie in Rage anfängt zu pusten. Ich kann kaum meinen eigenen pfeifenden Atem hören, als sie zu Boden sackt. Sie liegt unter dem fuchsteufelswilden Handtrockner, heiße Luft wirbelt ihr blondes Haar durcheinander, aber sie ist fürs Erste kaltgestellt.
    Â»O Scheiße. Was hab ich getan?« Ich gehe neben ihr in die Hocke und taste an ihrem Hals nach der Stelle, die Mac mir gezeigt hat. Das Warten ist entsetzlich. Und dann spüre ich das Pochen.
    Der Handtrockner verstummt. Eine Tür knarzt hinter mir. Jackson kommt aus der Kabine heraus, die Kapuze über die Beanie gezogen. Er starrt auf Sallys regloses Gesicht. Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen, aber ich komme ihm zuvor.
    Â»Sie ist nicht tot, alles in Ordnung. Ich hab einfach nicht nachgedacht. Ich wusste nicht, wie ich sie davon abhalten sollte, die Tür zu öffnen. Tut mir leid, tut mir leid. Sie hätte dich sonst entdeckt …«
    Er legt mir eine Hand auf die Schulter. »Ich wollte dir keine Vorhaltungen machen. Wir müssen sie fesseln. Sie ist offenbar hier, um Probleme zu machen. Du musst sie irgendwie aufhalten. Nur so lange, bis ich weg bin. Okay?«
    Ich ringe nach Worten, meine Hand pulsiert heftig vor Schmerz, meine Finger tun weh, als ich sie ausstrecke. »Ja, schätze mal, du hast Recht. Womit soll ich sie bloß fesseln?«
    Es dauert ewig, bis ich Sally mithilfe meiner Federboa und dem Klebeband, mit dem ich meine Strümpfe fixiert hatte, gefesselt und geknebelt habe. Schließlich schleppen wir sie in die hinterste Toilettenkabine. Immer wieder überprüfe ich ihre Atmung, so wie ein vorbildlicher Ersthelfer, und versuche sie so gut es geht auf dem Boden in die stabile Seitenlage zu bringen, was nicht ganz einfach ist, wenn die Beine wie bei ihr, angelehnt an die Kabinenwand, in die Luft ragen. Wir dürfen nicht riskieren, noch in der Nähe zu sein, wenn sie wach wird. Und das heißt, dass ich die zweite Hälfte der Vorstellung nicht sehen werde. Das meiste haben wir aber wegen der Fesselaktion ohnehin schon verpasst. Don’t Dream It, Be It dudelt leise aus den Lautsprechern im Foyer, als wir das Theater verlassen, und auf dem Weg zum Treffpunkt an der Bibliothek fahren die Worte in meinem Kopf unaufhörlich Karussell.
    Draußen ist es kälter geworden oder vielleicht ist es auch genauso kalt wie vorhin, bloß dass es mir jetzt mehr auffällt, da mein Hals nackt ist. Oder vielleicht liegt’s auch daran, dass mir jetzt, wo Jackson und ich im Gleichschritt den Bürgersteig entlangmarschieren, klar wird, dass ich gerade zum letzten Mal neben ihm herlaufe. Dass ich ihn zum letzten Mal leibhaftig sehe. Ich will nicht daran denken, darum konzentriere ich mich stattdessen darauf, wie kalt mir ist. Ein eisiger Abendwind peitscht gegen meinen Hals. Ich schaue auf meine Uhr: 22.16.
    Â»Willst du das wirklich durchziehen?«, frage ich ihn, als wir übers Pflaster huschen.
    Â»Ja«, sagt er. »Glaubst du etwa, ich hab Angst?«
    Â»Nein. Es ist nur echt … drastisch. Du streifst einfach dein ganzes Leben von
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