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Rockoholic

Rockoholic

Titel: Rockoholic
Autoren: C. J. Skuse
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Zuschauerraum schleichen, aber Mac steht noch nicht auf der Bühne. Jackson sieht in seinen normalen Klamotten ziemlich deplatziert aus. Alle anderen sind kostümiert. Aber er wollte es so haben. Er will sich nicht länger verkleiden. Das hat er als der Wahnsinnige schon zur Genüge getan. Heute Abend ist er zum ersten Mal einfach nur er selbst. Er hat noch nicht mal seine Kontaktlinsen drin.
    Die Leute stehen in den Rängen, singen und tanzen zu dem Song Time Warp und legen sich dabei dermaßen ins Zeug, dass wir nicht zu unseren Sitzplätzen in der ersten Reihe durchkommen. Also bleiben wir hinten stehen, hinter dem Geländer, hinter der Musikanlage. Trotzdem haben wir eine gute Sicht auf die Bühne. Ich werde Mac sehen können.
    Ungefähr drei Minuten später öffnet sich die Falltür im Bühnenboden und Mac steigt heraus. Er sieht phänomenal aus: eine schwarze Korsage über einem strassbesetzten Netzoberteil. Knallrote High Heels. Sein Haar ist zu den üblichen schwarzen Stacheln mit blauen Strähnchen hochfrisiert, aber es glitzert im Scheinwerferlicht. Und er ist umwerfend, besser als umwerfend. Er nimmt die Bühne vollkommen in Besitz. Ich sehe niemand anderen als ihn, bloß ihn. Song auf Song ist Mac alles, was ich sehe.
    Jackson sagt etwas, aber ich höre es gar nicht. Er stupst mich an.
    Â»Pause.«
    Â»Wie?«, sage ich und niese, weil mich eine meiner Boa-Federn in der Nase kitzelt. Er hebt mein Handgelenk hoch, um mir die Zeit zu zeigen. Plötzlich ist es halb zehn. Die Show läuft schon über eine Stunde.
    Wir verstecken uns die nächsten fünfzehn Minuten auf dem Damenklo in einer der Kabinen. Die Frauen kommen und gehen und schwärmen davon, wie toll die erste Hälfte der Show war. Zwischen den ganzen Klogeräuschen – das Quietschen und Knallen der Tür, das Brummen der Handtrockner, Wasserbrausen, das Klappern der Klositze – höre ich ganz viel Gutes.
    Wer ist der Junge, der den Frank-N-Furter spielt?
    Er ist spitze, oder? Der hat echt das Zeug zum ganz großen Star.
    Dieser Frank-N-Furter … was für ein Hammer-Body! Ist das nicht der Sohn von Teddy Lawless?
    Ja, ich hab auch Tish gesehen. Ich muss unbedingt Hallo sagen gehen.
    Er ist fantastisch. Und dabei ist er erst achtzehn.
    Ist das erste Mal, dass ich auf einen Kerl in High Heels abfahre. Glaubst du, er ist im echten Leben schwul? Bestimmt, oder? So wie er diese Figur spielt …
    Vielleicht ist er auch nicht schwul, sondern einfach nur ein richtig guter Schauspieler.
    Ja, der Knabe wird noch mal berühmt, denk an meine Worte.
    Jackson blickt mich über den Rucksack hinweg an und flüstert: »Ja, das wird er wohl. Arme Sau.«
    Die Frau in der Kabine neben uns lässt beim Hinausgehen ihr Programmheft fallen und kommt nicht wieder zurück, um es zu holen. Ich angele danach und hebe es auf. Ich blättere die Darstellerseite mit Macs Foto auf und schaue ihn mir an. Er steht an allererster Stelle. In der Beschreibung daneben wird seine Schultheatererfahrung erwähnt, seine Rolle des Riff in West Side Story und seine Hoffnungen auf eine zukünftige Karriere am Broadway. »Eines Tages werde ich dort spielen«, wird er zitiert. »So wie es in dem Song heißt: ›Don’t dream it, be it.‹ « Und er wird es schaffen. Plötzlich bin ich wahnsinnig traurig.
    Das Türknallen und das Plätschern des Wasserhahns und das Geplapper und das Gebrumm des Handtrockners sind immer seltener zu hören und schließlich ist alles still. Vorsichtig luge ich aus der Kabine hinaus, um zu gucken, ob die Luft rein ist. Sally Dinkley steht neben dem Handtrockner und lächelt mich an.
    Ich ziehe die Kabinentür hinter mir zu. »Sally.«
    Â»Jody«, sagt sie. »Wusste ich’s doch, dass ich dich vor einer ganzen Weile hier hab reingehen sehen. Dir ist doch nicht etwa schlecht oder so?«
    Ich schüttele den Kopf. »Nein, alles bestens. Ich geh mir jetzt die zweite Spielhälfte ansehen.« Ich marschiere zum Waschbecken, drücke auf den Seifenspender und schäume meine Hände ein. Sally geht zu der Kabine, aus der ich gerade herausgekommen bin. Sie berührt ganz sacht die Tür. Die bewegt sich nicht. Er hat sie abgeschlossen.
    Sie nickt. »Ist da noch jemand drin?«
    Ich schüttele den Kopf und spüle mir die Seife von den Händen. »Nein. Muss sich irgendwie selbst verriegelt
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