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Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition)
Autoren: Carl Nixon
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in der Hand hielt, würde niemand irgendwas Besonderes an uns entdecken können. Wir waren eine Gruppe von Männern, die sich an ihrer gemeinsamen Vergangenheit festhielten.
Manchmal ist es unmöglich zu unterscheiden zwischen den Erinnerungen an Lucy, die unsere eigenen – also eigene Erlebnisse – sind, und solchen, die wir nur für unsere Sammlung zusammengetragen haben. Die Zeit hat vieles davon verwischt.
    Lucy auf der Schaukel, zwischen dem Himmel und dem Sandboden schwebend. In der Luft hängend.
    Lucy, älter jetzt, beim Vorbeifahren durch eine beschlagene Autoscheibe gesehen.
    Lucy, die mit zwei Freundinnen an der mit Graffiti besprühten Bushaltestelle beim Spielplatz wartet.
    Lucy in der Mittagspause auf dem Schulgelände, mit nichts beschäftigt.
    Und hier ist sie auf einem Foto an der Wand eines Zimmers, das kniehoch voller Blumen ist. Sie sitzt neben ihrer Schwester auf einer Parkbank, und ihr Vater legt ihr schützend eine Hand auf die Schulter.
    Wir erinnern uns an Lucys lächelndes Gesicht, das brennend gen Himmel steigt.
    Lucy in dem roten Trikot, in dem sie gelaufen ist, noch immer nassen Sand an der Schulter. Sie lächelt und streckt dem Fotografen die Trophäe hin wie ein Geschenk.
    Lucy, die im Unterricht aufzeigt.
    Ihr Hinterkopf, der kurz im Gedränge des Schulkorridors an einem Regentag auf blitzt.
    Lucy Ashers getrocknetes Blut am Rand des silbernen Trinkbrunnens. Das ins Becken sprudelnde Wasser fängt das Sonnenlicht ein.
    Lucy Asher auf dem Fahrrad unterwegs in die Schule an einem Regentag. Der Himmel eine Betondecke. Der Saum ihres Kleides vollgesogen und dunkel, Wasser spritzt von der Straße in einem zischenden Bogen hoch.
    Lucy und Carolyn beim Sonnenbaden auf der breiten obersten Treppenstufe am Schulschwimmbecken. Ihr nasses Haar um den Kopf gebreitet wie ein dunkler Heiligenschein.
    Lucy Asher, der eine weiße Papiertüte mit runden Kaubonbons runterfällt. Sie springen und rollen über den Linoleumboden des Ladens und verschwinden wie ängstliche Mäuse in Ecken und unter den Regalen.
    Lucy Asher mit ernstem und einsamem Gesicht vorne in der Klasse. Die Stimme des Lehrers leiert weiter etwas über Vulkane herunter.
    Wir erinnern uns an ihr Picknick mit Mutter und Schwester unten am Strand, als sie ungefähr acht oder neun war. Der Badeanzug war zu groß für sie und vom Meerwasser ausgebeult.
    Eine lachende Lucy hinter dem Tresen, während sie telefoniert und gleichzeitig Wechselgeld rausgibt. Laute Musik.
    Lucy tanzt mit uns im Feuerschein an Silvester. Das Licht der Flammen läßt ihre Wangen rot leuchten. Sie tanzt barfuß auf dem kühlen Sand.
    Lucy geisterhaft die rechte Seitenlinie entlangrennend, den Ball mit dem Hockeyschläger vor sich her treibend. Bald sieht man sie, bald ist sie verschwunden zwischen den Schwaden des Augustnebels.
Der Mord an Lucy Asher geschah vor siebenundzwanzig Jahren und in einem anderen Jahrhundert. Er wurde nie aufgeklärt. Die Polizei hat DNA-Spuren unter Lucys Fingernägeln sichergestellt, aber in den frühen achtziger Jahren konnte man von DNA-Datenbanken nicht mal träumen. Auch jetzt noch, nachdem die Morde an Teresa Cormack und Maureen McKinnel ebenso wie mehrere andere fast vergessene Fälle durch Abgleich der DNA gelöst wurden, kann man die Probe von Lucy Asher mit niemandem in Verbindung bringen. Die Akten verstauben langsam in irgendeinem Polizeiarchiv. Obwohl der Fall nie geschlossen wurde, also theoretisch noch immer bearbeitet wird, bedeutet der Name Lucy Asher niemandem in Uniform mehr etwas. Außer natürlich Grant Webb. Er ist jetzt bei der Kriminalpolizei und lebt in Wellington. Er informiert uns, wenn ein neuer Verdacht auftaucht oder ein Fall, der Ähnlichkeiten mit dem Mord an Lucy aufweist.
    Nach all diesen Jahren vertritt Al Penny noch immer seine Theorie vom »einsamen Wolf«, und zu seiner Verteidigung muß man sagen, daß alle unsere Verdachtsmomente und Spuren sich als Sackgassen erwiesen haben. Vielleicht wurde Lucy ja tatsächlich von einem Fremden umgebracht, der nur kurz auf The Spit geraten war und danach sofort wieder von unserer Landkarte verschwand. Ebensogut aber kann es sein, daß der Mörder all die Jahre unter uns gelebt hat. Der oder vielleicht der oder sogar der?
    Anfang des Jahres fand Mark Murray etwas, das eine Spur sein könnte. Als er ausländische Zeitungen im Internet durchsah, stieß er auf einen kleinen Artikel vom September 2003. Er berichtete von einer jungen Frau, die am Strand Zyperns, in
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