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Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition)
Autoren: Carl Nixon
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Parkett. Die engste Familie durfte Pete noch einmal sehen – da Tony nicht da war, blieb nur seine Mutter.
    Wir standen im Foyer des Krematoriums zwischen den riesigen Blumenarrangements herum und wurden von leiser Orchestermusik berieselt, die aus unsichtbaren Lautsprechern drang. Wir unterhielten uns und aßen die letzten Wurstbrötchen und Gurkensandwiches auf. Wir wußten, daß sich jeden Moment ein Vorhang hinter Pete öffnen und er seinen Weg in die Flammen antreten würde. Wir versuchten, nicht daran zu denken.
    Zuerst erkannten wir die Frau nicht, die auf Jim zutrat. Sie war nicht mehr dürr, sondern eher füllig geworden, wie es vielen Leuten in ihren Dreißigern und Vierzigern ergeht. Doch sie hatte noch immer die blasse Haut ihrer Mutter und die Sommersprossen über der Nasenwurzel. Carolyn Asher und Jim nahmen sich einen Orangensaft und gingen zu den hohen Fenstern; dort führten sie ein intensives Gespräch.
    Er erzählte uns später, daß sie inzwischen verheiratet sei und drei Kinder habe. Ihr Mann sei Fluglotse hier am Flughafen. Jim zeigte uns ihre Visitenkarte. Carolyn besitzt einen Internet-Shop, mit dem sie Handschuhe und Schals aus Merinowolle verkauft. Offenbar laufen die Geschäfte gut. Wir pflichteten Jim bei, daß sie glücklich und gesund aussah, gar keine Frage. Tatsächlich war es uns schwergefallen, unsere Erinnerung an sie in Einklang zu bringen mit der Frau, die da im Sonnenlicht stand, das in hellen Flecken durch die großen Fenster fiel. Wir hatten sie aus den Augen verloren, als sie nach Auckland zog. Da war sie neunzehn und hatte ein ansehnliches Vorstrafenregister – sie war tief in die örtliche Drogenszene verstrickt – und den schlechtesten Ruf, den man in New Brighton haben konnte. Aber als wir sie da mit Jim reden sahen, mußten wir zugeben, daß das alles sehr lange her war. Carolyn hatte es geschafft, da rauszukommen. Wir fragten uns, wie ihr das wohl gelungen war. Was war ihr Geheimnis? Als sie sich verabschiedete, küßte sie Jim auf die Wange und versprach, mit ihm in Verbindung zu bleiben.
    Kurz darauf zogen wir alle ab. Wir waren fast die letzten. Wir verabschiedeten uns von Petes Mutter – wir würden sie wohl kaum je wiedersehen. Sie stand an der Tür und sah aus, als würde sie der leiseste Windhauch zu Boden werfen.
    Als wir wieder in unseren Wohnungen waren, konnten wir kaum glauben, daß sich dort nichts verändert hatte. Wir haben seither oft darüber gesprochen: Was uns am Tod am meisten überrascht, ist, daß sich für die Zurückgebliebenen im Alltag nichts ändert. Es scheint unrecht, seine Mahlzeiten am selben Tisch zu essen, seine Zähne mit derselben Zahnbürste zu putzen, im selben ungemachten Bett zu schlafen wie immer. Es liegt eine Treulosigkeit in der Fortsetzung der alltäglichen Gewohnheiten. Der Tod eines engen Freundes, wie es Pete Marshall für uns war, sollte wie ein Vulkanausbruch sein, der alles durcheinanderwirbelt. Doch statt dessen ist er ein leichtes Beben in der Nacht, das kaum die Gläser im Schrank klirren läßt. Ein Erdbeben auf der anderen Seite eines riesigen Ozeans, das man, wenn man nicht aufpaßt, glatt verschläft.
Petes Beerdigung war an einem Donnerstag. Am Wochenende darauf fand ein Test Match der All Blacks in Christchurch statt. Es ging gegen die British and Irish Lions. Eine Gruppe von uns hatte Tickets, und bei deren Preis schien es unsinnig, sie verfallen zu lassen. Außerdem war uns nicht danach, zu Hause rumzuhängen, nicht in dieser Woche. Wir hatten es leichter, wenn wir zusammen waren, zumal in der Atmosphäre eines großen Sportereignisses.
    Es war das zweite Spiel der Lions-Tour, und wir genossen das Match, auch wenn es sicher nicht als das größte der beiden Mannschaften in die Geschichtsbücher eingehen wird. Lancaster Park trägt inzwischen den Namen eines Sponsors, und es gibt eine neue Tribüne, die sich auf der Westseite steil wie eine Mauer erhebt. Man muß auch sagen, daß unser Interesse an Rugby ziemlich abgeflaut ist, die begeisterten Fans, die wir mit fünfzehn waren, gab es nicht mehr.
    Heute fällt es uns schwer, nachzuvollziehen, wieviel Energie wir in diesen Sport gesteckt haben, als Spieler wie als Fans.
    Wir können kaum glauben, wie sehr er unser Leben bestimmt hat. Als wir aufwuchsen auf The Spit, war Rugby ein Teil von uns, von unseren Vätern und Nachbarn. Jetzt ist es ein Profisport, der von den körperlich überlegenen Maori und Inselbewohnern dominiert wird. Es gibt viel mehr Spiele,
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