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Robocalypse: Roman (German Edition)

Robocalypse: Roman (German Edition)

Titel: Robocalypse: Roman (German Edition)
Autoren: Daniel H. Wilson
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widerstehen kann und mordgierig von mir runterkrabbelt, fange ich wieder an zu atmen. Die Versuchung ist groß, den kleinen Scheißer einfach unter meinem Absatz zu zertreten. Aber ich habe schon genug Stiefel durch die Luft fliegen sehen. Am Anfang des Neuen Krieges gehörten der dumpfe Knall und die verwirrten Schreie der Verletzten genauso zur täglichen Geräuschkulisse wie Gewehrfeuer.
    Jeder Soldat weiß, dass Rob es gerne lustig hat. Und wenn er zum Tanz ruft, kann man sich auf eine Höllenparty gefasst machen.
    Auch die letzten Späher huschen in die brennende Masse ihrer Kameraden hinein.
    Ich hole mein Funkgerät raus.
    »Brightboy an Basis. Schacht fünf elf … Sprengfalle.«
    Das kleine Gehäuse antwortet mit italienischem Akzent: »Verstanden, Brightboy. Hier Leo. Mach kehrt und beweg deinen Arsch zu Schacht cinque dodici. Verdammte Scheiße. Ich glaube, wir haben hier einen echten Treffer gelandet, Boss.«
    Also wandere ich mit knirschenden Schritten zurück zu Schacht fünf zwölf, um mir selbst ein Bild von diesem angeblichen Treffer zu machen.
    ***
    Leonardo ist ein baumgroßer Fußsoldat. Durch das klobige Exoskelett, das seine Beine schützend umhüllt und das er beim Überqueren des südlichen Yukon in einer Station der Bergwacht gefunden hat, wirkt er sogar noch größer und hünenhafter. Das weiße Kreuz auf dem Bein-Exo hat er mit pechschwarzer Sprühfarbe übermalt. Der Trupp hat ihm ein Tickler-Seil um die Hüfte gebunden, und unter dem Heulen der Motoren zieht er Schritt für Schritt ein großes schwarzes Objekt aus einem Loch.
    Er dreht seinen mit wirren schwarzen Locken bedeckten Kopf zu mir um und brummt: »Au, Mann, B. B., dieses Ding ist molto grande. «
    Meine Spezialistin Cherrah hält einen Tiefenmesser in den Schacht und erklärt, er reiche exakt hundertachtundzwanzig Meter in die Erde hinab. Dann tritt sie schnell wieder ein Stück zurück. Eine tiefe Narbe auf ihrer Wange zeugt von Zeiten, als sie noch nicht so vorsichtig gewesen ist. Alles Mögliche kann da unten rauskommen.
    Lustig, denke ich. Bei uns Menschen hat alles immer mit der Zahl Zehn zu tun. Zehn Finger, zehn Zehen – zählen können wir auf beiden gut. Und das lässt uns beinahe so wie Affen erscheinen. Doch die Maschinen benutzen ihre Hardware genauso zum Zählen wie wir. Sie hingegen sind durch und durch binär. Alles an ihnen lässt sich durch zwei teilen.
    Wie eine Spinne, die eine Fliege erbeutet hat, kommt der Tickler aus dem Loch hervor. Seine langen dünnen Arme sind um einen basketballgroßen schwarzen Würfel geschlungen. Der Würfel hat mit Sicherheit die gleiche Dichte wie Blei, aber Tickler besitzen enorme Kräfte. Normalerweise setzen wir sie ein, wenn jemand von einer Klippe stürzt oder in ein Loch fällt, und dabei bergen sie einen frisch geborenen Vier-Kilo-Säugling genauso mühelos in den Armen wie einen ausgewachsenen Soldaten in voller Exo-Montur. Man muss nur aufpassen, dass man sie nicht zu fest zupacken lässt.
    Leo haut auf den Freigabeschalter, und der Würfel plumpst mit einem dumpfen Schlag in den Schnee. Die Augen der Truppe richten sich auf mich. Jetzt bin ich an der Reihe.
    Mir ist sofort klar, dass wir etwas Wichtiges gefunden haben. Bei all den Sprengfallen und der Nähe zur letzten Frontlinie muss es einfach so sein. Die Stelle, an der Big Rob – der große Roboter, der sich selbst Archos nannte – seine letzte Schlacht schlug, liegt gerade mal hundert Meter entfernt. Welchen Trostpreis haben wir hier entdeckt? Welchen Schatz haben wir aus der eisigen Erde gehoben, auf der die Menschheit alles geopfert hat, was sie besaß?
    Ich gehe neben dem Würfel in die Hocke. Die Oberfläche ist glatt, schwarz und durchscheinend. Keine Knöpfe oder Hebel. Kein gar nichts. Nur ein paar Kratzer vom Tickler.
    Wirkt nicht sehr robust, überlege ich.
    Eine einfache Regel: Je zerbrechlicher ein Robo ist, umso schlauer ist er.
    Ja, könnte durchaus Hirn haben, das Ding. Und wenn es Hirn hat, dann will es weiterleben.
    Also beuge ich mich nah ran und flüstere: »He, Würfel. Sag was oder stirb.«
    Ganz langsam nehme ich den Flammenwerfer von der Schulter, damit der Würfel es gut sehen kann. Falls er überhaupt sehen kann. Dann drücke ich kräftig mit dem Daumen auf den Zündknopf. Damit er es hören kann. Falls er überhaupt hören kann.
    Klick.
    Stumm und still steht der Würfel auf dem weißen Permafrostboden – ein schwarzer Obsidian.
    Klick.
    Wie ein von Außerirdischen bearbeitetes
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