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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester
Autoren: Hammesfahr Petra
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um, als sie mir antwortete.

    «Er ist tot.»
    Dann begann sie zu schluchzen. Was denkt man in solch einem Augenblick, wenn man noch nicht wieder richtig denken kann? Er ist tot! Es war so abstrakt. Es war unmöglich, völlig ausgeschlossen. Es konnte nur ein mieser Trick sein, um mich in die Knie zu zwingen – vor Zeugen. Und dann die Einweisung in die Psychiatrie. Die beiden Männer hatten es sich in zwei Sesseln bequem gemacht. Der ältere erhob sich, als wir hereinkamen. Er war etwa so groß wie ich und stark untersetzt. Ich schätzte ihn auf Mitte fünfzig. Er stellte sich und seinen Begleiter vor. Sein Name war Wolbert, einfach nur Wolbert. Einen Dienstgrad nannte er nicht, was mich in meiner Ansicht bestärkte, dass Isabell nur irgendeine Teufelei im Sinn hatte. Den Namen des anderen vergaß ich gleich wieder. Er war noch sehr jung, trug eine Jeanshose und eine Lederjacke. Strohblond war er, hatte Unmengen von Sommersprossen im Gesicht und auf den Händen. Und hellhäutig war er, mit einem leichten Stich ins Rote. Ein Knabe wie in Buttermilch gebadet, da half auch die martialische Lederjacke nicht viel. Wolbert war die Ruhe in Person. Der Buttermilchknabe dagegen wusste nicht, wohin mit seinen Händen. Er schob sie von den Jacken- in die Hosentaschen, zog sie wieder heraus, massierte seine Finger und fummelte an der Gürtelschnalle seiner Jeans. Sein Blick spiegelte Unsicherheit. Vermutlich erschrak er vor meinem Aussehen. Er starrte mich an, als hätte er gerade eine unheimliche Begegnung der dritten Art, wahrscheinlich sogar der vierten – irgendein widerlich schleimiges Ding, von dem uns die Wissenschaft weismachen wollte, dass es über eine Art von Intelligenz verfügen musste. Sonst wäre es kaum in der Lage gewesen, die Reise von seinem Heimatplaneten zu uns anzutreten. Wie ich diesen Blick hasse! Die Vorsicht in den Augen, wie ein überdimensionales Stoppschild an einer Vorfahrtsstraße, und quer über die Stirn ein

    «Ach, du Schande»
    geschrieben. Um die Lippen kräuselt sich ein halbes Dutzend Fragen:

    «Wie ist denn das passiert? Wie lebt man mit solch einem Gesicht? Ist es überhaupt noch ein Leben?»
    Nein, verdammt, es war schon lange keines mehr. Seine Augen waren grau, ein sehr helles, fast wässriges Grau mit einem dunklen Kranz um die Iris. Seltsam, worauf man achtet in solch einer Situation. Wenn jeder Nerv vor Anspannung zittert. Wenn jede Hirnzelle zu pulsieren beginnt: Mach jetzt bloß keinen Fehler, Mia, ein falsches Wort, eine unbedachte Geste, und du steckst in einer Zwangsjacke. Wäre es nur darum gegangen. Es wäre leichter zu ertragen gewesen. Wolbert setzte wohl voraus, dass Isabell mich bereits umfassend informiert hätte.

    «Wir haben ein paar Fragen an Sie», begann er. Natürlich, Dutzende von Fragen hatten sie. Ob Robert Feinde hatte. Aber das kam erst später. Ich wusste zuerst gar nicht, was er von mir hören wollte. Mein gesamter Verstand war fixiert auf eine Zwangseinweisung, alles andere hatte abgeschaltet, auch das Begreifen. Ich konnte zuhören, aber nicht erfassen, worum es ging. Wolbert erkundigte sich, wann Robert in der Nacht das Haus verlassen habe, ob mir bekannt sei, mit wem er sich habe treffen wollen. An meiner Stelle antwortete Isabell mit einer Stimme, die hin und wieder von einem winzigen Schluchzer durchbrochen wurde. Sie war großartig in ihrer Rolle, spielte die schockierte junge Witwe mit einer Intensität, dass auch einem erfahrenen Psychologen keine Zweifel an der Echtheit ihrer Gefühle gekommen wären. Und ich hing noch bei Wolberts Frage. Eine Verabredung in der Nacht? Blödsinn. Plötzlich sah ich mich wieder auf dem Bett in Serges Schlafzimmer liegen. Serge stand beim Telefon, nackt und schön, muskulös und erregend. Ich hörte seine Stimme:

    «Jetzt spinn nicht rum, zieh dich endlich an, Mia. Verflucht, es kann dich doch nicht so umgehauen haben.»
    Was hatte er mir gegeben, dieser kleine Mistkerl? Er musste irgendetwas in den letzten Drink getan haben.

    «Hübsch austrinken, dann wirst du gleich fliegen, Mia.»
    Ich war geflogen, quer durch den Himmel der tausend Lüste. Und wie ich da auf seinem Bett lag, war ich noch nicht wieder auf dem Boden. Serge sagte ins Telefon:

    «Hallo, Rob, ich bin’s.»
    Er lachte kurz, schielte zu mir hinüber und sagte:

    «Genau, Rob. Tut mir Leid, dass ich deswegen störe. Aber sie fühlt sich nicht gut, und du weißt ja, wie sie dann ist. Wenn ich sie in dem Zustand in ein Taxi setze, verprügelt sie
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