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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester
Autoren: Hammesfahr Petra
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heimzunehmen. Alles andere ging die Polizei nichts an. Mit wem ich ins Bett stieg, war allein meine Sache. Davon hatte nicht einmal Robert gewusst. Auf Serge konnte ich mich verlassen. Er gäbe niemals zu, dass alles im Leben seinen Preis hatte. Der Buttermilchknabe ließ mich nicht aus den Augen. Und jedes Mal, wenn ich seinen Blick zu erwidern versuchte, schaute er rasch zu Boden, als schäme er sich. Wolbert war freundlich, sehr rücksichtsvoll und trotzdem hartnäckig. Er stellte fest, dass personelle Veränderungen nicht unbedingt mitten in der Nacht geklärt werden mussten, auch dann nicht, wenn es sich um das Personal einer Nachtbar handelte. Also hätte ich doch vermutlich einen anderen Grund gehabt, meinen Bruder zu bemühen, statt mir ein Taxi zu nehmen. Ja, verdammt! Kopfschmerzen und Übelkeit. Und in dem Zustand vertrug ich das Autofahren nicht sonderlich gut. Mir hatte nicht der Sinn danach gestanden, mich mit einem Fremden auseinander zu setzen und um schonende Fahrweise zu bitten. Außerdem hatte mein Bruder das Medikament bei sich, das ich bei starken Kopfschmerzen brauchte. Das reichte ihm dann als Erklärung.

    «Hat Ihr Bruder während der Fahrt mit Ihnen über den zweiten Anruf gesprochen?», wollte er wissen.

    «Nein», sagte ich. Vielleicht hatte Robert etwas gesagt, und ich erinnerte mich nur nicht daran. Bestimmt hatte er das, er sprach über alles Außergewöhnliche mit mir. Und ein Anruf auf dem Geschäftsanschluss um zwei Uhr nachts war mehr als außergewöhnlich. Im Grunde war er völlig ausgeschlossen.

    «Was haben Sie gemacht, als Sie hier ankamen?», fragte Wolbert. Woher sollte ich das wissen? Ich wusste doch nicht einmal mehr, dass wir ankamen.

    «Ich habe mich sofort hingelegt», sagte ich. Isabell riss voller Protest die Augen auf, starrte mich an, schüttelte den Kopf und presste die Lippen aufeinander. Aber wenigstens schwieg sie. Und die beiden Männer waren auf mich fixiert.

    «Und Ihr Bruder», fragte Wolbert,

    «was tat er?»
    Normalerweise brachte Robert mich ins Bett, wenn er mich bei Serge hatte abholen müssen. Er blieb dann auch immer bei mir, bis er sicher sein konnte, dass ich eingeschlafen war. Nur war ich nicht in meinem Bett aufgewacht. Aber vielleicht hatte das nichts zu bedeuten. Vielleicht hatte Robert nur gedacht, im Atelier fände ich mehr Ruhe.

    «Er blieb noch einige Minuten bei mir», sagte ich.

    «Dann ging er nach oben.»
    Er musste nach oben gegangen sein, wohin auch sonst, mitten in der Nacht? Isabell schüttelte erneut den Kopf und erklärte:

    «Mein Mann kam nicht zurück ins Schlafzimmer. Er fuhr noch einmal weg. Das war gegen halb drei. Ich war wieder eingeschlafen, nachdem er das Haus zum ersten Mal verlassen hatte. Als sie zurückkamen, wachte ich auf. Sie sprachen in der Halle noch miteinander.»
    Wieder starrte sie mich an, als wolle sie mich mit ihrem Blick hypnotisieren. Worauf wollte dieses Miststück hinaus? Der Buttermilchknabe betrachtete den Schutzumschlag des Buches. Es lag mitten auf dem Tisch.

    «Geisteskrankheiten, ihre Symptome und ihre Behandlungsmöglichkeiten»
    . Ich war nicht geisteskrank. Ich war nur mit meinen Nerven am Ende. Sie hatten es geschafft, mich so weit zu bringen, sie und ihr ach so hilfloser Bruder. Wolbert machte sich Notizen. Sprachen noch miteinander! Wenn sie das in ihrem Schlafzimmer gehört, sogar davon aufgewacht war, mussten wir sehr laut gesprochen haben. Hatte ich Robert eine Szene gemacht, weil er mir nicht sagen wollte, warum er in Frankfurt gewesen war, was er vormittags in der Stadt zu tun gehabt und was er nachmittags mit Olaf Wächter besprochen hatte? Das konnte ich mir nicht vorstellen.

    «Reiß dich zusammen, Mia. Mein Gott, jetzt sei doch vernünftig. Hör mit dem Theater auf, hör mir zu.»
    Es war Roberts Stimme, die mir durch den Kopf geisterte. Wann hatte er verlangt, dass ich ihm zuhörte? Ich bildete mir das doch nicht ein.

    «Worüber sprachen Sie denn?», fragte Wolbert. Und in dem Moment fiel mir ein, dass Robert noch einmal bei mir gewesen war, sehr früh am Morgen und nicht allein. Ich erinnerte mich deutlich. Seine Hand an meiner Schulter, kein Rütteln, nur ein leichter Druck, und sein Flüstern dicht neben meinem Ohr.

    «Mia, schläfst du?»
    Dann ein kleines, kehliges Lachen.

    «Sie schläft wie ein Murmeltier.»
    Ich hatte wohl den ersten Rausch ausgeschlafen und war ein Stück weit an die Oberfläche getaucht. Nicht weit genug nach oben. Es war zu mühsam gewesen,
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