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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition)
Autoren: Thea Dorn
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ich damals gewollt habe? Manchmal habe ich Angst, wie ein Fremder vor meiner eigenen Arbeit zu stehen. Ich hätte mich auf diese Geschichte nicht einlassen sollen.«
    »Das ist doch Unsinn«, beruhigte ihn Elisabeth. »Du weißt ganz genau, daß deine Inszenierung die beste seit Jahrzehnten ist. – Dein Schlafanzug hängtüber dem anderen Stuhl.«
    Der Regisseur schüttelte sich. Er langte nach dem braunen, frisch gewaschenen Baumwollpyjama. »Hast du einen schönen Abend gehabt?«
    »Ich bin ein wenig den Text für morgen durchgegangen. « Elisabeth dämpfte ihre Stimme. »Sag mal, kriegt die Johnson-Myerwirklich so eine hohe Gage?«
    Alexander Raven zuckte die Achseln. »Zehn- bis Fünfzehntausend zahlen die ihr sicher pro Vorstellung. «
    Elisabeth zupfte nachdenklich an dem rosa Satinband, das ihr Nachthemddekolleté zusammenhielt. »Habe ich dir eigentlich schon mal erzählt, daß ich früher Brünnhilde gesungen habe? In Gießen – bevor wir uns kennenlernten. Ich bin sicher, ich hätte die Rolle noch parat. Vielleicht – wenn du mit Bellini reden würdest – «
    Der Regisseur zog seine schwarzen Socken aus. »Liebling, laß nur. Du bist eine wunderbare Woglinde. Brünnhilde – das ist nichts für dich.« Mit kalten Füßen stieg er ins Bett.
    Elisabeth hatte sich auf die Seite gedreht. Gelb strahlte die Nachttischlampe. »Willst du dir nicht die Zähne putzen?« Sie bemühte sich, nicht gekränkt zu klingen. »Ich habe deine Zahnbürste schon ausgepackt. Sie steht im Bad.«
    »Danke, das ist lieb von dir. Aber heute beim besten Willen nicht mehr.« Der Regisseur streckte sich aus.
    »Kann ich dann das Licht ausmachen?« Auf Elisabeths Sopran-Glanz hatten sich Schlieren gelegt.
    »Ja, bitte.« Der Regisseur gähnte.
    Dunkelheit breitete sich über das Bett. Straßenbeleuchtung illuminierte die Vorhangränder. Der Radiowecker blinkte.
    »Damals mit Haffner – ich habe heute oft daran denken müssen, wie wunderbar er mich verstanden hat« sprach Alexander Raven in die unvollständige Finsternis hinein. »Nächtelang haben wir zusammengesessen, nicht nurer und ich, das ganze Team. Alles Mögliche haben wirdiskutiert, wildes Zeug fabuliert, ohne Ende politisiert. Wir kannten nichts anderes als den Ring. Jeder war mit einem solchen Enthusiasmus bei der Sache! Und Wagner war immer nur der Anfang. Komplette Gegenweltentwürfe haben wir damals gesponnen. Es war eine chaotische, wundervolle Zeit. Ohne diese Atmosphäre wäre meine Inszenierung nie das geworden, was sie ist. Ich fürchte, mir wird das alles sehr fehlen, jetzt. Das neue Direktorium – ich weiß nicht. Bellini ist sicher ein exzellenter Dirigent, aber ich begreife noch nicht, was er mit dem Ring vorhat. Ich sehe noch nicht, was ihn an Wagner fasziniert. Irgendwie kann ich mich mit ihm nicht verständigen. Ich glaube, das Szenische interessiert ihn gar nicht. Wahrscheinlich ist er einer von diesen engstirnigen Taktstock-Egomanen, die unfähig sind, über den Rand ihres Orchestergrabens hinauszublicken. – Wie anders war Haffner. Er wollte immer genau wissen, was auf der Bühne geschieht. So oft er konnte, hat er die szenischen Proben besucht. Mit ihm konnte man richtiges Musiktheater machen, es war wirkliche Zusammenarbeit – damals.« Alexander Ravens Gedanken verloren sich im Halbdämmer.
    Elisabeth hatte nicht zugehört. Im Schutze der Nacht wagte sich die Frage hervor, die sie seit heute nachmittag quälte. »Wieso hast du mir nicht vorher gesagt, daß diese Frau wieder dabei ist?«
    Der Regisseur erstarrte, wie von einem plötzlichen
Krampf befallen. »Ich habe kein Bedürfnis, mit dir darüber zu reden«, sagte er frostig. »Ich bin jetzt müde. Gute Nacht.«

3
    Reginald Schönstedt, der Regieassistent, saß im Schneidersitz auf dem rotseidenen Diwan und starrte mit halbgeschlossenen Lidern ins Leere. Er war blicklos für die Herrlichkeit, die ihn umgab.
    Zwei prächtige Fasanen spielten in der Abendsonne. Ihre weitgeschwungenen Schwanzfedern bogen sich dem bronzenen Himmel entgegen. Gold rahmte die Idylle. An den Fensterscheiben flossen blutrote Samtkaskaden hinab. Die farbigen Glasblätter des Muranoleuchters zitterten fein wie Pappellaub. Kaleidoskopische Lichtsplitter tanzten an den Wänden. Vorwitzige Putten streckten ihre Köpfe aus dem Stuckfries hervor.
    Reginalds nackte, glatte Brust hob und senkte sich rasch. Schweißperlen der Anstrengung standen in dem blassen Gesicht, auf dem die erst kürzlich vergangene Jünglingszeit ihre
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