Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition)
Autoren: Thea Dorn
Vom Netzwerk:
Falte in Woglindes Anfangszeilen geschlichen. Das Bügeleisen glitt wieder auf und ab. Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege! Wagala weia! Wallala weiala weia , korrigierte die Sängerin.
    Das schwarze Hemd war fertig. Elisabeth knöpfte es zu – Weia! Waga! – drehte es auf den Bauch – Woge, du Welle! – faltete die Seitennach hinten – Wallezur Wiege! – winkelte die Ärmel an – Wagala weia! – schlug das untere Drittel ein – Wallala weiala weia! – und klappte es zusammen. Sie strich überdas saubere Rechteck. Künstlerischer wie hausfraulicher Anspruch waren fürs erste befriedigt.
    Sie räumte das Bügelbrett weg, kochte ihren allabendlichen Lindenblütentee und setzte sich an den Küchentisch. Mit disziplinierter Lustlosigkeit kämpfte sich die Gesangssoldatin durch ihre Noten. Die Rolle des germanischen Riot-Girl bedeutete ihr nichts. Aber im Gegensatz zu den meisten ihrer Kolleginnen hatte sie eine bescheidene Auffassung von ihrem Beruf. Sie sang nicht, um sich selbst zu verwirklichen. Sie versah ihren Dienst an der Musik. Zuverlässig und solide.
    Elisabeth hatte im Klavierauszug eine der wenigen Stellen erreicht, die ihr jedoch tatsächlich gefielen. Woglinde offenbarte Alberich, dem läufigen Nibelungen, das Geheimnis des Rings: Nur wer der Minne Macht entsagt, nur wer der Liebe Lust verjagt, nur der erzielt
sich den Zauber, zum Reif zu zwingen das Gold . Mit feinen Kreuzstichen stickte die Sängerin den Spruch in ihr Gedächtnis.
    Ein Nachtfalter war durch das gekippte Fenster hereingekommen und flatterte um die orangene Plastikschüssel der Deckenlampe. Elisabeth fing ihn mit einem Küchenkrepp. Sie quetschte das Papier in ihrer Faust zusammen und warf es in den Abfalleimer. Vielleicht war es eine Motte gewesen. In Theaterwohnungen gab es immer Motten.
    Die Sängerin repetierte das weitläufige Entsagungsmotiv ein letztes Mal. Drei Töne Anlauf, gemäßigter Hochsprung zur kleinen Sext, langsamer Abgang in Prim-und Sekundschrittchen.
    Es warspät geworden. Leise Unruhe befiel die Regisseursgattin. Alexander Raven war überfällig.
    Sie stand auf und trat ans Fenster. Ihre Finger nestelten am braunen Vorhang. Vor Jahren hatte sie Alexander Raven von Zigaretten und Alkohol weggebracht und ihn durch Heirat aus seiner dritten, noch ruinöseren Liebschaft befreit. Seitdem eben diese heute nachmittag beim Konzeptionsgespräch aufgetaucht war, hörte Elisabeth die alte Falle wiederschnappen.
    Wasser rauschte durch das Abflußrohr. Die Sängerin fröstelte. Sie ging ins Schlafzimmer, um sich ihre gehäkelte Wollstola zu holen. Die immer gleichen und doch nie vertrauten Apartments von Amsterdam bis Zürich bereiteten ihr wachsendes Unbehagen. Der letzte Aufenthalt in der Münchner Eigentumswohnung lag Wochenzurück. Elisabeth begleitete ihren rastlosen Legionär des Musiktheaters auch dann, wenn er ihr in seinen Inszenierungen keine Rolle zugedacht hatte.
    Im Flurspiegel begegnete sie einer abgespannt aussehenden Frau. Elisabeth erschrak. Weniger wegen der ungesunden Gesichtsfarbe an sich als vielmehr wegen der kostbaren Stimmbänder, deren Ermüdung ein grauer Teint anzeigte. Es waren ihre einzigen Juwelen, und sie achtete stets darauf, daß sie in einer makellos samtigen Kehle ruhten. Die Sängerin beschloß, ins Bett zu gehen.
    Im Schlafzimmerwares schwül. Elisabeth öffnete ein Fenster und zog die Vorhänge zu. Sie begann, sich gewissenhaft auszukleiden, hängte ihre gestreifte Bluse und die dunkelblaue Bundfaltenhose in den Kleiderschrank, band zwei Lavendelsäckchen an die Bügel, roch an Söckchen und Slip, steckte beides in einen Wäschesack, holte aus ihrem Reisekoffer das letzte frische Nachthemd, schlüpfte in die flauschig warmen Hausschuhe, packte im Badezimmer den Kulturbeutel aus, putzte ihre ebenmäßigweißen Zähne, rollte das glattgedrückte Ende der Zahnpastatube auf, stellte diese gemeinsam mitihrerund der Zahnbürste ihres Mannes in ein gepunktetes Wasserglas, wusch sich das Gesicht, wusch sich die Füße, bürstete ihre kurzen braunen Haare, spülte das Waschbecken aus und setzte sich auf die Toilette.
    Die Vorlegematte war zartgelb und hatte Zottelfransen.
    Elisabeth kehrte ins Zimmer zurück, nahm die braune Tagesdecke vom Bett und verstaute sie im Schrank. Alexanders Schlafanzug hängte sie über eine Stuhllehne, seine Pantoffeln stellte sie davor. Nach einem prüfenden Rundblick löschte sie das Hauptlicht und knipste das Nachttischlämpchen an.
    Mechanisch griff sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher