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Riley - Im Schein der Finsternis -

Riley - Im Schein der Finsternis -

Titel: Riley - Im Schein der Finsternis -
Autoren: Alyson Noël , Ulrike Laszlo
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Schultern. Sie ließ sich eine Menge Zeit mit ihrer Antwort und benahm sich so, als wäre das schwer zu sagen. Als ob sie tatsächlich zwischen den beiden Möglichkeiten – Junge oder Mädchen – schwanken würde.
    Ich war kurz davor, einfach wegzugehen, weil ich genug von ihren Spielchen hatte, als sie eine Hand hob und mir auf die Schulter tippte.
    Nur einmal.
    Leicht und schnell.
    Doch das reichte aus, um mich augenblicklich an meinen ersten Schultag zurückzuversetzen.
    Zurück zu der dürren, mit Jeans und einem Pullover bekleideten Riley, die sich schlecht beraten hatte lassen und einen Bubikopf trug.
    Der ungünstige Haarschnitt schien damals eine gute Idee zu sein – hauptsächlich, weil meine Schwester Ever sich ihr Haar ebenfalls hatte schneiden lassen –, aber letztendlich hielt mich jeder für einen Jungen, sowohl meine Klassenkameraden als auch meine Lehrer.
    Es war, als hätte ich eine Zeitreise in die Vergangenheit angetreten.
    Ich beobachtete, wie sich die Reihe der verwitterten Grabsteine auf magische Weise in einen Block von kleinen Pulten verwandelte. Die Gruppe der unheimlichen Bäume mit den ausgehöhlten Stämmen und den langen, spindeldürren Zweigen, die mich an die knorrigen Finger der Hexen aus den Märchenbüchern erinnerten, wurden zu Schultafeln und Tafelständern.
    Die Wände um mich herum kamen immer näher, schlossen mich ein, bis das, was einmal ein vergessener Friedhof gewesen war, sich in eine exakte Nachbildung meines Klassenzimmers in der Vorschule verwandelte. Die Szene spielte sich genauso ab, wie ich sie im Gedächtnis hatte, einschließlich des hysterischen Gekichers, den fünfjährigen Mitschülern und einer Lehrerin, die sich mit hochrotem Gesicht überaus bemüht entschuldigte.
    »Riley, es tut mir so leid«, sagte Mrs. Patterson und zog peinlich berührt die Schultern nach oben, während sich auf ihren Wangen Flecken abzeichneten.
    Aber das war nichts im Vergleich dazu, wie ich mich fühlte .
    Unsere erste Aufgabe an diesem Tag – gleich, nachdem wir uns unsere Namensschilder an die Brust geheftet hatten – bestand darin, uns in zwei Gruppen aufgeteilt in einer Reihe aufzustellen: die Jungen auf einer Seite, die Mädchen auf der anderen. Und laut meiner Lehrerin hatte ich bereits diese Aufgabe nicht erfüllt.
    Nach einem Blick auf meine androgyne Kleidung und den burschikosen Haarschnitt hatte meine Lehrerin das Schlimmste angenommen.
    Sie hatte gedacht, ich wäre ein Junge.
    »Wegen … weil du … Ich habe angenommen, du …« Sie wedelte mit einer Hand durch die Luft und sah sich verzweifelt nach irgendeinem Ablenkungsmanöver um, nach irgendetwas, was ihr die Flucht ermöglichen könnte.
    Und ich stand vor meinen kichernden Klassenkameraden. Meine Augen brannten, meine Kehle wurde heiß und trocken, und ich erlebte zum ersten Mal in meinem Leben mit voller Wucht, was es hieß, wenn man schrecklich gedemütigt wurde.
    Ich starrte die anderen Mädchen an und betrachtete die scheinbar unendliche Flut von Locken, Zöpfen, Haarspangen und Schleifen. Alle trugen Kleider in unterschiedlichen Pink-, Lila- und Himmelblautönen – ähnlich wie dieses görenhafte Geistermädchen Rebecca – , und eine Sache war klar, glasklar: Ich war die schlimmste Person, die man sich nur vorstellen konnte.
    Ich war anders .
    Ich war jemand, der nicht dazupasste.
    Als ich kurz davor aus dem Haus gegangen war, war ich natürlich nervös gewesen, aber auch voll Vorfreude. Ich hatte mich gut gefühlt, und nun, fünfzehn Minuten später, war ich bereits als Freak abgestempelt.
    Ich sprang auf und rannte zur Tür, doch anders als in meinem damaligen Klassenzimmer war diese Tür abgesperrt.
    Also stürzte ich zu den großen Fenstern hinüber, aber auch sie waren verschlossen.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als mich überall umzuschauen und nach einem Ausgang zu suchen. Ich versuchte verzweifelt, mich zu beruhigen, als mir allmählich die schreckliche Wahrheit dämmerte.
    Ich saß in der Falle.
    Gefangen als Geisel in einem Klassenzimmer voller kichernder, spottender, höhnisch grinsender Schüler, deren Hysterie immer stärker anschwoll und so ansteckend wirkte, dass selbst meine Lehrerin schließlich einstimmte.
    Obwohl mir in gewisser Weise klar war, dass das nicht real war und dass es sich nicht genau auf diese Weise abgespielt hatte, machte das keinen Unterschied. Tief in meinem Inneren, zutiefst in meinem Herzen, direkt in meiner Seele waren die Gefühle dieselben wie an jenem Tag.
    Es
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