Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rico, Oskar und die Tieferschatten

Rico, Oskar und die Tieferschatten

Titel: Rico, Oskar und die Tieferschatten
Autoren: Andreas Steinhöfel
Vom Netzwerk:
hell erleuchtete Küche gucken konnte. Von dem Drecksack selber keine Spur, aber auf dem Herd dampfte es aus einem kleinen Topf. Den würde der Bühl sicher nicht unbeaufsichtigt lassen, falls er vorhatte, noch mal nach Oskar zu sehen. Aber vielleicht kochte er ihm was zu essen.
    Ich musste mich beeilen.
    In der Wohnung nebenan, bei Fitzke, waren die Vorhänge zugezogen. Dahinter brannte eine Lampe. Ich fragte mich, was der alte Stinker um diese Uhrzeit noch in seiner Wohnung trieb. Bestimmt sortierte er seine Kinderkopfsammlung.
    Der Flur endete vor dem Durchgangszimmer in den hinteren Teil der Wohnung.
    Abgeschlossen.
    Schlüssel ausprobieren.
    Erfolg nach dem neunten Versuch.
    Tür auf und rein.
    Jetzt sah ich durchs Fenster schräg nach unten mein eigenes Zimmer Hegen. Es war natürlich dunkel, aber plötzlich kam mir der total gruselige Gedanke, wie ich wohl reagieren würde, wenn da unten plötzlich das Licht anging und ich Rico sehen könnte, der von seinem Fenster aus ängstlich zu mir rüberguckte, weil er in diesem Moment meinen Tieferschatten sah.
    Mann, Mann, Mann!
    Wenn ich der Bühl wäre, hätte ich dieses große Fenster abgehängt oder vernagelt, dachte ich. Dann fiel mir ein, dass sofort jeder im Vorderhaus das bemerkt hätte. Also lieber den Schutz der Nacht abwarten und Tieferschatten spielen. Bis heute hatte das ja auch prima geklappt. So ein gerissener Kerl!
    »Oskar?«
    Immer noch keine Antwort.
    Ich wurde immer nervöser. Langsam gingen mir die Zimmer aus. Aber nicht die Schlüssel. Auch mit der nächsten Tür wurde ich spielend fertig. Dass sie abgeschlossen gewesen war, ließ mich hoffen. Ich drückte sie behutsam auf. Rabenschwarze Schwarzschwärze. Das wenige Mondlicht aus dem Durchgangszimmer reichte nicht aus, um den Raum bis in den hintersten Winkel auszuleuchten.
    »Oskar?«
    Ich stapfte blindlings drauflos, fünf, sechs Schritte. Dann passierten zwei Dinge gleichzeitig: Der Veilchenduft von Fräulein Bonhöfer verwandelte sich in den Geruch von einem Cheeseburger Royal. Und ich knallte mit einem Knie und der Stirn dermaßen heftig gegen eine Wand, dass ich gedämpft aufschrie und fluchte.
    »Du hast meinen Flieger gefunden, stimmt's?«, sagte eine Stimme.
    Knie und Stirn waren sofort vergessen. Vor Erleichterung musste ich so breit grinsen, dass ich dachte, meine Mundwinkel würden sich über meinem Kopf treffen.
    »Aber nur durch Zufall«, antwortete ich. »Er war schon im Müllcontainer gelandet.«
    »Und danach warst du bei Sophia.«
    »Ja, aber sie hat mir nichts erzählt. Aus Angst um dich. Ich hab alles ganz allein durch Nachdenken rausgefunden.«
    Na ja, immerhin fast alles. Von Sophias unbeabsichtigtem Tipp mit dem Klimpermann konnte ich später noch erzählen. Vorläufig war ich damit zufrieden, Oskar endlich mal richtig beeindrucken zu können.
    »Ich bin froh, dass du da bist«, sagte seine Stimme. »Woher hast du die Schlüssel?«
    »Dem Marrak geklaut.«
    »Ganz schön clever. Okay, schließ jetzt erst mal die Tür wieder ab.«
    »Warum?«
    »Weil ein Schaltkontakt eingebaut ist, damit kein Licht von hier drinnen nach draußen fallen kann. Das Licht geht nur dann an, wenn die Tür abgeschlossen ist.«
    »Ach, so was gibt's?«
    »Ist ähnlich wie bei einem Kühlschrank, nur umgekehrt.«
    Sich etwas umgekehrt vorzustellen ist immer sehr schwierig, vor allem dann, wenn man richtig herum schon Schwierigkeiten damit hat. »Willst du damit etwa sagen«, überlegte ich laut, »dass in einem Kühlschrank kein Licht brennt, wenn er zu ist?«
    Oskar stöhnte leise auf.
    »Bist du verletzt?«, fragte ich besorgt.
    »Schließ einfach die Tür zu«, kam es zurück.
    Es dauerte eine Weile, bis ich unter mordsmäßig viel Geklimper den Schlüssel wiedergefunden hatte, mit dem ich hereingekommen war. Oskar wartete ab, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
    Als es hell wurde und ich ihn durch zusammengekniffene Augen endlich sah, konnte ich zuerst kaum glauben, dass er ein Entfiihrungsopfer war. Er hockte auf einer ausgeleierten alten Matratze, um die herum unzählige Tüten und Verpackungen von McDonald's verstreut lagen und dutzende von leeren Colaflaschen. Was für ein Schweinestall! An die Wände hatte der Bühl dicke Polster angebracht. Sie sahen aus wie mit Watte gefüllt, ebenso die Zimmerdecke, von der eine armselige nackte Energiesparbirne baumelte. So was hatte ich schon mal in einem Krimi gesehen. Schallschutz — wenn man hier drin herumbrüllte, hörte das draußen keiner.
    Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher