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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche
Autoren: Andreas Steinhöfel
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Reporter abwehrte. Ich wollte nicht, dass dein Vater durch irgendeinen dummen Zufall über deinen Namen stolperte.« Ihre Sternchenfinger wurden wieder unruhig. »Alles umsonst. Ich werde gegen Boris aussagen müssen. Spätestens dann wird er unsere Adresse verraten. Er ist ein schlechter Verlierer.«
    Â»Und ich bin schuld.«
    Â»Nein. Vergiss bitte, was ich gesagt habe, als ich vor dem Club im Dreck lag. Du bist mein Sohn, der sich Sorgen um mich gemacht und für mich gekämpft hat. Ich bin stolz auf dich, Rico.«
    Â»Wird Papa jetzt zu uns kommen?«
    Sie streichelte meine Schläfe und gab keine Antwort. Es ist alles in Ordnung, Rico, hörte ich sie in meiner Erinnerung trotzig sagen. Und es wird auch alles in Ordnung bleiben. In Wirklichkeit hatte es nie Ordnung gegeben, sondern nur ein großes Durcheinander. Und vielleicht war deshalb dasmiese Gefühl in meinem Bauch jetzt verschwunden, und vielleicht fand ich deshalb nichts von dem, was Mama mir gestanden hatte, schrecklich schlimm oder aufregend, nicht mal, dass ich einen lebendigen Papa hatte: weil ich Durcheinander gewohnt war. Vor allem in meinem Kopf. Plötzlich kam das ganze Leben mir vor wie eine riesige Bingotrommel, die alle Menschen herumwirbelt. Ab und zu streckt das Schicksal seine Hand in die Trommel, holt ein paar Kugeln raus und sagt, so, mit dir mache ich jetzt mal dieses und mit dir mal jenes, und dann wollen wir mal sehen, wie ihr damit fertig werdet, viel Vergnügen! Den einen lasse ich ohne Schnürsenkel auf dem Mount Everest sitzen, den anderen lasse ich beim Angeln von einem Fisch ins Meer ziehen und …
    â€¦ und nur noch eine Frage war übrig.
    Â»Mama?«
    Â»Hm?«
    Â»Warum hast du mir erzählt, Papa wäre ertrunken?«
    Â»Schatz, das habe ich nicht«, sagte sie ruhig. »Du hast es dir ausgedacht, weißt du nicht mehr? Du hattest solche Sehnsucht nach einem Vater, da hast du einfach Geschichten über deinen erfunden, sein heldenhaftes Ertrinken inklusive. Ich brachte es nicht übers Herz, dir das auszureden. Das war mein größter Fehler, befürchte ich – dir von Anfang an die Wahrheit zu verschweigen.«
    Ich überlegte.
    Â»Was heißt inklusive?«, sagte ich dann.
    Keine Antwort. Nur Schweigen und Regengeklopfe von draußen.
    Â»Ich habe Angst, dass du mich jetzt hasst, Rico«, sagte Mama irgendwann.
    Â»Tu ich aber nicht.«
    Â»Jetzt noch nicht. Wenn du erst Zeit zum Nachdenken hattest …«
    Wir blickten beide auf, als aus dem Flur das Klacken ertönte, mit dem die Tür zur Wohnung aufsprang. Ich machte mich von Mama los. Oskar steckte den Kopf ins Schlafzimmer.
    Â»Alles in Ordnung?«
    Ich konnte ihm unmöglich jetzt schon erzählen, was ich von Mama erfahren hatte. Das würde ich für morgen aufheben, wenn er und ich ausgeschlafen waren. »Und bei dir?«, wich ich seiner Frage aus.
    Â»Mein Vater war nicht zu Hause. Ich hab ein paar Bücher eingepackt und mitgebracht. Ist das in Ordnung, Frau Doretti?«
    Â»Komm mal her, Oskar«, sagte Mama und klopfte mit einer Hand einladend aufs Bett. Oskar setzte sich auf die gegenüberliegende Kante, weit genug von Mama entfernt, dass sie ihn nicht betatschen konnte. »Dein Vater wird sich demnächst bestimmt melden, da bin ich sicher.«
    Oskar lächelte schmal, als wäre er sich da weniger sicher.
    Â»Bis er das tut«, fuhr Mama fort, »kannst du so lange hier wohnen, wie du willst, okay?«
    Â»Okay.« Oskar zog leise die Nase hoch. »Vielen Dank.«
    Â»Wäre eventuell noch etwas Platz für noch jemanden?«, ertönte die Stimme vom Bühl aus dem Flur.
    Â»Komm rein«, rief Mama.
    Etwas klackerte im Flur auf den Holzdielen. »Na los, geh schon«, hörte ich den Bühl sagen. »Husch, husch, da herum.«
    Es klackerte wieder. Etwas kurvte um die Ecke. Vom Bett aus sah ich zuerst nur das kaffeebraun gekringelte Schwänzchen. Ich spürte, wie eine Hitzewelle mich durchströmte, von oben bis unten, eventuell auch andersrum, ich konnte die Richtung nicht verfolgen vor lauter Überraschung. Mit einem Jubelschrei katapultierte ich mich aus dem Bett, beugte mich zu Porsche runter und hob ihn auf den Arm.
    Â»Nicht zu fest drücken!«, warnte Mama.
    Tat ich nicht. Ich presste meinen Kopf in das Warm und das Weich, und am liebsten hätte ich geheult vor Glück. Porsche leckte mir übers Gesicht. Ich
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