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Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Titel: Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit
Autoren: Dieter Borchmeyer
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gemäß mit einer Theatermusik auszustatten, von der sich jedoch keine Spuren erhalten haben. Das entspräche freilich seiner Selbstdarstellung, der zufolge sich sein musikalisches Interesse erst allmählich aus seinem literarischen entwickelt hat. Diese Selbststilisierung hat Nietzsche später zum Anlass genommen, an Wagners genuiner musikalischer Genialität zu zweifeln: »Keiner unserer grossen Musiker war in seinem 28ten Jahr ein noch so schlechter Musiker wie Wagner« (NW 485). So problematisch diese Wertung sein mag, so zutre ff end für Wagners Bildungsgang ist Nietzsches Feststellung in der vierten seiner Unzeitgemäßen Betrachtungen : »Ihn schränkte keine erb- und familienhafte Kunstübung ein: die Malerei, die Dichtkunst, die Schauspielerei, die Musik kamen ihm so nahe als die gelehrtenhafte Erziehung und Zukunft; wer ober fl ächlich hinblickte, mochte meinen, er sei zum Dilettantisiren geboren.« (SW I, 436)
    Prägend schon für den jungen Wagner war sein positives Interesse an Freiheitsbewegungen und Revolutionen, so sein Engagement für den »griechischen Befreiungskampf«: »Meine Liebe für Griechenland, die sich späterhin mit Enthusiasmus auf die Mythologie und Geschichte des alten Hellas warf, ging somit von der begeisterten und schmerzlichen Teilnahme an Vorgängen der unmittelbaren Gegenwart aus. Ich entsinne mich, später in dem Kampf der Hellenen gegen die Perser immer die Eindrücke dieses griechischen Aufstandes gegen die Türken wiederempfunden zu haben.« (ML 12) Gegenwart und Vergangenheit Griechenlands waren für ihn eins. Als Sekundaner der Nikolaischule dichtete er angeblich gar »einen Chorgesang in griechischer Sprache auf den neuesten griechischen Freiheitskampf« (ML 42). Auch »der polnische Freiheitskampf gegen die russische Übermacht« erfüllte ihn »mit wachsender Begeisterung« (ML 66). Die Ouvertüre in C-Dur Polonia von 1836 (WWV 39) ist noch ein Nachklang dieser Polen-Begeisterung der Jahre 1831/32. Die Juli-Revolution 1830 in Paris, die ausgerechnet aus einer Aufführung von Daniel-François-Esprit Aubers Oper La Muette de Portici ( Die Stumme von Portici ) – mit der Wagner sich intensiv befasst hat – hervorbrechende Revolution in Belgien (1830) und ihre Folgen fesselten ihn ungemein. Das hat er in Mein Leben ausgiebig beschrieben.
    Gerade zu der Zeit, da er für seinen Schwager, den Verleger Ludwig Brockhaus, den Mann seiner Schwester Luise, die Korrekturbögen eines Geschichtswerks las, das die Französische Revolution behandelte, wiederholte sich diese Revolution in Paris, teilweise sogar mit demselben Personal. »Die Extra-Blätter der Leipziger Zeitung brachten die Nachricht der Pariser Juli-Revolution. Der König von Frankreich war vom Throne gestoßen, Lafayette, der soeben wie ein geschichtliches Märchen durch meine Imagination gezogen war, ritt unter dem Jubel des Volkes wieder durch die Straßen von Paris; die Schweizergarden waren in den Tuilerien nochmals niedergemacht worden; ein neuer König [der »Bürgerkönig« Louis-Philippe] wußte sich nicht anders dem Volke zu empfehlen, als daß er sich selbst für die Republik ausgeben ließ. […] Die geschichtliche Welt begann für mich von diesem Tage an; und natürlich nahm ich volle Partei für die Revolution«, denn in ihr und den folgenden »revolutionären Erschütterungen«, die »bald ganz Europa in mehr oder minder starken Schauern heimsuchten«, sah er den Kampf »zwischen dem Alten, Überlebten und dem Neuen, Ho ff nungsvollen der Menschheit«, in dem man sich nur auf die Seite der Zukunft schlagen konnte. Und so will er nicht nur eine (verschollene) Politische Ouvertüre (WWV 11) komponiert haben, sondern mischte sich handgreiflich in die auch in Sachsen, zumal in Leipzig ausbrechenden Unruhen ein, wobei ihn das »Dämonische« des Volksexzesses »wie einen Tollen in seinen Strudel mit hineinzog« (ML 47 f.).
    Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Wagner seit 1833 engen Kontakt zu Heinrich Laube p fl egte, dem Wortführer der emanzipatorischen Bewegung des ›Jungen Deutschland‹, für dessen entschieden progressive Zeitung für die elegante Welt er seine ersten Artikel schrieb und mit dem er auch seine Opernpläne erörterte. Seine zweite Oper Das Liebesverbot (WWV 38) wird das wichtigste künstlerische Ergebnis dieser frührevolutionären Begeisterung Wagners sein.

Auf dem Wege zur romantischen Oper – Die Hochzeit und Die Feen
    Sosehr man an Wagners zahllosen
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