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Rettungslos

Titel: Rettungslos
Autoren: van der Vlugt Simone
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liegt vollkommen ruhig da.
    Rasch steigt Senta ein. Sie legt den Sicherheitsgurt um, lässt den Motor an und greift nach ihrem Handy.
Doch dann zögert sie – nein, nichts wie weg hier, telefonieren kann sie später immer noch.
    Hastig tritt sie aufs Gaspedal, steuert versehentlich nach rechts und wäre um ein Haar die Deichböschung hinabgefahren. Mit einem Fluch bremst sie und lenkt nach links.
    Ihre Nerven sind zum Zerreißen gespannt, als sie die Deichstraße entlangfährt. Am liebsten würde sie Vollgas geben, aber das wäre unverantwortlich. Sie fährt ohnehin schon schneller, als sie sollte, und die lang gezogenen Kurven tauchen jedes Mal unerwartet aus dem Nebel auf. Plötzlich lichtet er sich. Sie sieht ein langes Stück Straße vor sich, auch der Mittelstreifen ist deutlich erkennbar.
    Senta tritt aufs Gas, um keine Zeit zu verlieren. Sie hat keine Ahnung, was in dem Haus los war – vielleicht war der Kerl der gewalttätige Ehemann der Frau, aber es kann auch ein Fremder gewesen sein. Wie auch immer, die Frau und das Kind brauchen dringend Hilfe!
    Senta schnappt sich das Handy vom Beifahrersitz und wählt den Notruf. Währenddessen fährt sie unbeirrt weiter. Unter normalen Umständen hätte sie das Tempo zurückgenommen, aber ihr Fuß auf dem Gaspedal scheint ein Eigenleben zu führen. Egal, sie kann es sich erlauben, denn weit und breit ist niemand zu sehen, und die Sicht wird immer besser.
    Im nächsten Moment sieht sie in einer Kurve den Grünstreifen auf sich zukommen. Sie reißt das Steuer herum und gerät zu weit nach links. Das Telefon entgleitet ihr und landet zwischen ihren Füßen. Senta zieht nach rechts und tritt auf die Bremse, aber das
Handy ist unters Pedal gerutscht. Verzweifelt versucht sie, es mit dem anderen Fuß wegzuschubsen, während sie mit wachsender Panik geradeaus steuert.
    Zu schnell, sie ist viel zu schnell! Die nächste Kurve taucht auf. Endlich spricht die Bremse an, aber Senta merkt, dass sie es nicht mehr schafft. Sie riecht verbrannten Gummi, hört ihren eigenen Schrei, dann peitscht Schilf gegen die Motorhaube. Sie rast den Deich hinab und taucht ein in eine graue Welt, in der Wasser und Luft nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind.

6
    Als Erstes wird ihr bewusst, dass sie kein Wasser sieht, obwohl welches da sein müsste. Gleich darauf ein lautes Klatschen, und sie schlägt mit der Stirn aufs Lenkrad. Sekundenlang ist ihr schwarz vor Augen, aber das Wasser um ihre Knöchel bringt sie rasch wieder zu Bewusstsein. Noch reichlich benommen, öffnet Senta die Augen und legt die Hand an die Stirn. Lichtblitze jagen über ihre Netzhaut, und der Schädel pocht schmerzhaft.
    Panik erfasst Senta.
    Draußen sieht sie Wasser, dunkelgraues Wasser. Ihre Finger umklammern das Lenkrad, die Angst lähmt sie von Kopf bis Fuß. Sie kann sich weder bewegen noch einen klaren Gedanken fassen. Wie erstarrt sitzt sie da, als könnte sie sich damit ihrer furchtbaren Lage entziehen.
    Inzwischen umspielt das Wasser ihre Knie. Die hochziehende Kälte lässt sie laut aufschreien: Der Panzer der Erstarrung bricht auf, sie schafft es, das Licht anzuschalten,
und tastet mit zitternden Fingern nach dem Gurtschloss.
    Wenn man bei einem Unfall mit dem Auto im Wasser landet, hat Senta einmal gelesen, soll man warten, bis das Auto vollgelaufen ist, dabei bilde sich eine Luftblase im oberen Bereich, in der man weiterhin atmen könne. Aber das ist Unsinn, denn die Luftblase hält sich nicht immer lange, und falls doch, dann wandert sie beim Sinken oft nach hinten ab. Das Dümmste, was man tun kann, ist also zu warten, bis die Türen sich nicht mehr öffnen lassen und die elektrischen Fensterheber den Dienst versagen. Man hat ziemlich genau zehn Sekunden Zeit, in denen die Seitenfenster noch aufgehen, zehn lebensrettende Sekunden, um sich zu befreien. Mit einem Nothammer kann man ein Fenster einschlagen.
    Aber Senta hat keinen solchen Hammer.
    Blindlings löst sie den Gurt, dann packt sie den Griff und versucht, die Tür zu öffnen. Es gelingt ihr nicht. Wie eine Besessene drückt sie auf den Knopf für die Fensterheber, aber die Elektronik funktioniert nicht mehr, die Seitenfenster bleiben unerbittlich geschlossen und trennen sie von der Außenwelt. Die Scheinwerfer, die eben noch breite Lichtstreifen im trüben Wasser gezogen haben, verlöschen.
    Am besten entkommt man durch ein
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